04.10.2024 - Seelsorge-Kolumne in der tz

Herbst - Zeit zum Danken
Bildrechte tz/merkur
Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Herbst - Zeit zum Danken und Denken

"Bunte Farbenpracht, fallendes Laub, Heuernte und Erntedank. Herbstzeit. Der Herbst ist, kirchlich gesehen, eine Zeit des Dankes für erlebte Erfüllung,aber auch der Besinnung auf Unerfülltes und auf die sogenannten letzten Dinge: also Sterben, Tod und Ewigkeit, Vollendung." 

Nachfolgend Gedanken hierzu von Pfarrer Johannes Habdank.

 

 

Das Erntedankfest gibt Anlass zu danken für alles, was gelungen ist, erfüllend war. Für die Ernte, die eingefahren wurde im wörtlichen und übertragenen Sinne. Im eigenen Leben von klein auf. Nicht selbstverständlich, dass vieles doch so gut ging. Dafür kann man Gott danken, für seinen Segen, seine Bewahrung und Begleitung. Eigentlich sollte uns jeder Tag zu danken geben, aber auch zu denken, angesichts dessen, wofür wir nur kaum danken können: das Misslungene, die gescheiterten Planungen, die enttäuschten Hoffnungen und Beziehungen, das unser Leben Beeinträchtigende, alles, was uns nach unten zieht. Wie damit leben?

Nicht nur in der Natur, sondern auch im Kirchenjahr geht es im Herbst um Verwelken, Zu Ende-Gehen, Vollendung-Finden: im Vertrauen in das uns Ungewisse hinein. Wie es im Psalm 103 heißt: „Der Herr weiß, was für ein Gebilde wir sind; er gedenkt daran, dass wir Staub sind. Ein Mensch ist in seinem Leben wie Gras, er blüht wie eine Blume auf dem Felde; wenn der Wind darüber geht, so ist sie nimmer da, und ihre Stätte kennet sie nicht mehr.“ Der Herbst gibt uns Gelegenheit, Melancholie zu pflegen, bei einem Waldspaziergang oder über die Felder.

Ein Gedicht von Rainer Maria Rilke zeigt, wie man den Herbst in sich aufnehmen und zugleich sein eigenes Selbstverständnis vertiefen kann - „Herbsttag“: „Herr, es ist Zeit. Der Sommer war sehr groß. Leg deinen Schatten auf die Sonnenuhren, und auf den Fluren lass die Winde los. Befiehl den letzten Früchten voll zu sein. Gib ihnen noch zwei südlichere Tage, dränge sie zur Vollendung hin und jage die letzte Süße in den schweren Wein. Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben, wird wachen, lesen, lange Briefe schreiben und wird in den Alleen hin und her unruhig wandern, wenn die Blätter treiben.“

Ein Gebet, aus dem Gefühl heraus, in einem tragfähigen Glauben geborgen zu sein. Dafür steht „das Haus“ bei Rilke. Nur wer „ein Haus hat“, braucht sich vor keinem Herbst, dem von anderen und auch seinem eigenen Verwelken und Vergehen zu fürchten. Das Gefühl, von Gott getragen zu sein im Werden und Vergehen, sei uns im Herbst gegeben! Spüren Sie hinter den vielen Herbstfarben die Güte Gottes im Sinne von Psalm 36: „Herr, deine Güte reicht, soweit der Himmel ist, und deine Wahrheit, soweit die Wolken gehen.“ 

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen (Merkur/tz 04.10.2024)