12.07.2024 - Seelsorge-Kolumne in der tz

Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Du sollst nicht lügen! Wirklich nie?

Die meisten Menschen finden Notlügen in Ordnung, wenn dazu aus Höflichkeit, Rücksicht, Selbst- und Fremdschutz, Liebe und Mitleid gegriffen wird. Es fühlen sich aber Menschen enttäuscht und verletzt, wenn sie herausfinden, dass sie belogen wurden. Pfarrer Habdank geht der wirklich langen Geschichte der Notlügen auf die Spur. 

Nachfolgend Gedanken hierzu von Pfarrer Johannes Habdank.

 

 

Die Notlüge hat lange Tradition. Schon am Anfang der Bibel steht: Gott bemerkte, dass Adam und Eva ihn hintergangen hatten, von der verbotenen Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen gegessen hatten. Durften sie nicht, haben es aber doch gemacht: Eva reicht Adam den berühmten Apfel, „malum“, lateinisch: „Apfel“, klingt harmlos, bedeutet aber auch „das Böse“. Adam entschuldigt sich mit Verweis auf Eva, die ihm den Apfel gereicht hat, Eva sagt: Nicht ich! Die Schlange war‘s!

Es geht um urmenschliche, allzu menschliche Schuldverschiebung: „Der andere war‘s“, um allgegenwärtige Heuchelei, um Verheimlichen und um die Notlüge. Darf man das? Die Notlüge ist eine meist spontane Verlegenheitslösung, soll etwas kaschieren oder besser reden. Damit alle meinen: „Alles gut!“ Das kennen wir aus Politik und Gesellschaft, auch von uns selbst. Das 8. biblische Gebot sagt: „Du sollst nicht falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten!“ Meint, dass man verleumden soll, damit alles zum Besten gekehrt wird. Auch nichts verheimlichen.

Wie aber sieht es in der Not aus, wenn du dir nicht anders zu helfen weißt? Du musst lügen oder etwas verheimlichen, weil Wahrheit-Sagen unerträglich oder gefährlich wäre? Kann Notlüge also irgendwie auch für das Wohl aller gut sein? Gibt es das? Du musst einfach mal etwas dahinlügen, um dich nicht verdächtig zumachen. Du musst lügen, um deine Sache, gegebenenfalls auch deine Haut zu retten, manchmal auch die anderer. O.k.? Manche Menschen im politischen Widerstand gegen totalitäre Regime haben das getan, und manche am Ende dann doch nicht, und sind dafür gestorben. Will man das, den eigenen sozialen oder echten Tod um der Wahrheit willen?

Die Bibel erzählt von einer Ehebrecherin, die gesteinigt werden soll. Jesus versteht ihr Schicksal. Warum? Er meint, dass jeder „Dreck am Stecken" hat. Jesu weise Antwort zum Fall der Ehebrecherin: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein auf sie!“ Reaktion der anderen? Obwohl viele schon in den Startlöchern stehen, um sie zu steinigen, macht es dann aber doch keiner, weil jeder merkt, dass er selber genug „Dreck am Stecken“ hat. Sie lassen den Stein, den sie schon in der Hand haben, fallen. Damit ist dieser Frau vergeben. So ist es auch mit der Notlüge: Vergebung ist angesagt! 

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen (Merkur/tz 12.07.2024)