Predigt von Pfarrer Johannes Habdank beim Vorabendgottesdienst zur Konfirmation 2021
Lukas 18, 9-14: Vom Pharisäer und Zöllner
Er sagte aber zu einigen, die sich anmaßten, fromm zu sein, und verachteten die andern, dies Gleichnis: Es gingen zwei Menschen hinauf in den Tempel, um zu beten, der eine ein Pharisäer, der andere ein Zöllner. Der Pharisäer stand für sich und betete so: Ich danke dir, Gott, dass ich nicht bin wie die andern Leute, Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den Zehnten von allem, was ich einnehme. Der Zöllner aber stand ferne, wollte auch die Augen nicht aufheben zum Himmel, sondern schlug an seine Brust und sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt hinab in sein Haus, nicht jener. Denn wer sich selbst erhöht, der wird erniedrigt werden; und wer sich selbst erniedrigt, der wird erhöht werden.
Liebe Konfirmanden,
in dieser Euch schon aus Schulzeiten bekannten Erzählung Jesu geht es nicht um ein historisches Ereignis, das tatsächlich so passiert ist, sondern um ein Gleichnis, also eine Art erzähltes Bild, das auf jeden Menschen zutreffen soll. So etwas hat Jesus immer wieder gebracht.
Anhand der beiden Figuren des Pharisäers und des Zöllners in unserem Gleichnis werden zwei Typen von Menschen und ihre Grundeinstellung, also: wie diese Typen „ticken“, dargestellt, und das gibt es auch heute noch.
Der eine, der einen guten Ruf hat und hohes Ansehen in der Gesellschaft genießt, strotzt geradezu nur so vor Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl. Der andere, der als moralisches Schwein, als Fiesling und Abzocker zu den meistgehassten Leuten in der Gesellschaft gehört, traut sich nicht einmal mehr, die Augen aufzuheben, weil er ein schlechtes Gewissen hat. Das tun übrigens die Menschen heute auch noch, wenn sie ein schlechtes Gewissen haben, dass sie den Blick senken oder wegsehen, dir nicht offen in die Augen schauen.
Der eine sagt Gott Dank dafür, dass er so ein toller frommer Hecht ist und erhebt sich über die anderen, indem er sagt: Danke Gott, dass ich nicht so bin wie die anderen Leute, die alle Sünder sind und wie dieser Zöllner – nicht so ich! Und genau dieser andere, der Zöllner, der beispielhaft für alle Sünder steht, bittet Gott um Gnade und Vergebung. Und das meint er sehr ernst, nicht so, wie man vielleicht auch vermuten kann: um danach wieder – von seiner Schuld entlastet - genauso weiter zu machen wie vorher! Solche Leute gibt´s natürlich auch, damals wie heute.
Ich denke, dass das eine hochaktuelle Geschichte ist, weil sie nämlich auf jeden von uns passt. Warum? Weil die beiden Figuren Wesenszüge von uns Menschen verkörpern, die beide in uns enthalten sind, viele andere natürlich auch. Aber: der Pharisäer und der Zöllner sind wir beide durchaus auch selber, wenn wir ehrlich sind. So unterschiedlich „ticken“ wir auch selber, jeder von uns.
Nach unserem evangelisch-christlichen Menschenbild sind wir nicht immer nur die guten, harmlosen und netten Menschen, sondern können durchaus auch böse, durchtrieben und widerlich sein. Beides sind wir, gut und böse – oder wie aus dem Glaubensbekenntnis hervorgeht: Heilige und Sünder zugleich, sonst wäre bei der Stelle „Gemeinschaft der Heiligen“ im Glaubensbekenntnis nicht unmittelbar danach von Vergebung der Sünden die Rede. Ja, Heilig und Unheilig liegen nah bei einander. Jeder ist beides.
Wer meint, er sei immer nur der gute, coole, tolle, fehlerlose, ohne jeden Kratzer im Lack, der ist dem Pharisäer vergleichbar. Und wer sich selbstkritisch sieht, Fehler eingesteht, sich deswegen klein vorkommt, sich fühlt als wäre der Lack ab, der ist dem Zöllner vergleichbar.
Jesus meint: Gott will den ehrlichen „Sünder“, den, der sich auch mal schämt, dem es leid tut, wie er war und was er gemacht hat, lieber als den angeberischen überheblichen Saubermann und Frommen. Warum? Der Pharisäer meint, er hätte keine Vergebung nötig, weil er fehlerfrei sei. Solche Leute mag Jesus nicht, weil er sagt: jeder Mensch ist darauf angewiesen, dass ihm verziehen und vergeben wird, jeder Mensch braucht Vergebung von anderen Menschen, und von Gott. Jesus mag Menschen, die sehen und ehrlich zugeben, was sie für welche sind. Menschen, die ernst und selbstkritisch über sich nachdenken, eingestehen, wenn sie Mist gebaut haben und das einsehen.
Das ist oft viel schwerer, als alles schön zu reden. Menschen, die sich darüber Gedanken machen, wo sie grundsätzlich Schwächen haben, mit denen sie vielleicht auch dauerhaft werden leben müssen, hoffentlich auch können: mit oder ohne Selbstvorwürfe? Das ist dann eine Frage der Vergebungserfahrung.
Das Faszinierende an dieser Erzählung Jesu für mich ist, dass der Zöllner hier gar nicht lange wie bei einer Beichte in einem Beichtstuhl alles Mögliche aufzählen muss, und es wird auch nicht erzählt, dass ihm dann von Gott gesagt wurde, wie er das wieder gut machen kann durch viel Geld oder gute, soziale Taten und fromme Werke oder Gebete. Es heißt nur: Der Zöllner sprach: Gott, sei mir Sünder gnädig! Und dann: Dieser ging gerechtfertigt in sein Haus. „Gerechtfertigt“ heißt hier: ihm wurde recht gegeben, seine Haltung wurde für richtig befunden, er wurde entlastet, freigesprochen.
Liebe Konfirmanden, das ist exakt das Thema dieses Beichtgottesdienstes. „Beichten“ ist ein altmodisches Wort. Es kommt her vom Wort „bejahen“, und zwar: seine Schuld bejahen, dazu stehen, was man gemacht hat, wie man war. Nicht sich rausreden oder alles beschönigen: „war schon nicht so schlimm!“ Oder: “Man muss die Dinge einfach auch mal positiv sehen!“ „Kann doch ich nichts dafür!“ „Der andere war´s!“ Nein: meine Schuld bejahen, darum geht´s. -
Und wenn ich mir keiner Schuld bewusst bin, keine Schuld fühle?
Nun, mangelndes Schuldbewusstsein hat noch keinen Verbrecher geschützt. Im Gegenteil: Mangelndes Mitleid und Schuldgefühl hat viele schon zu großen Verbrechern werden lassen. Betrifft uns aber hier hoffentlich nicht. Aber, was uns betrifft:
Im Alltag können wir zwar alle kleine Heilige sein, aber auch oftmals kleine Übeltäter, Unheilige oder zumindest Scheinheilige. Da sind wir zwar offen zueinander, da gibt´s aber auch mal eine Ausrede; Versprechen werden gegeben, werden aber auch mal nicht eingehalten, auch wiederholt nicht. Dann reden wir über jemanden im Guten, dann aber auch über denselben Menschen hintenherum: selbst unter Freunden über den einen, wie unmöglich er doch da und dann wieder einmal war, und die andere, die ja eigentlich ganz nett ist und, was für eine blöde Zicke die doch wieder sein kann. Wir urteilen gerne und schnell über Personen und Ereignisse, die wir vielleicht gar nicht genau kennen. Und wir tun das meistens mit der Art dessen, der Gott – insgeheim - dafür dankt, zumindest sich gut dabei fühlt, dass er nicht so ist wie „die anderen“.
Die anderen, die sind nämlich die eigentlich Üblen! Und vor allem urteilen wir gerne pauschal über die Medien, die Politiker, die Lehrer, die Kirche, die Konfirmanden, die Schüler – nur nicht: dich und mich - du und ich, ganz persönlich.
Menschen ohne Schuld gibt es nicht nach biblisch-christlicher Auffassung. Da kommen wir nicht darum herum. Alle sind wir vergebungsbedürftig, du und ich auch, warum, das weiß jeder selbst am besten.
Es tut sehr gut zu wissen, dass allein schon das Eingeständnis des Zöllners und seine Bitte um Vergebung „Gott sei mir Sünder gnädig!“ genügt haben, dass Jesus sagen konnte: „Der ging gerechtfertigt nach Hause.“
Der Zöllner musste nicht und hat nicht lange darum herumgeredet. Und er musste das auch nicht. Ihm ist Vergebung widerfahren, einfach so.
Ja, Reue hat als Kehrseite: Vergebung, ganz unkompliziert!
Ja, wer Gott um Vergebung bittet, dem ist Vergebung zugesagt, wird vergeben. –
Und das machen wir jetzt so. Gott um Vergebung bitten, einfach so.
Amen.