19.08.2022 - Seelsorge-Kolumne in der tz

 
Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Hat Jesus eigentlich Urlaub gemacht?

 

Komische Frage, oder? Aus der Bibel wissen wir viel über die letzten drei Jahre von Jesu öffentlichem Auftreten, erst in seiner Heimat in Galiläa, dann über sein Leben, Leiden und Sterben in Jerusalem. Aber „Urlaub“? Passt doch gar nicht zu Jesus!

Pfarrer Johannes Habdank hat da eine Geschichte entdeckt ...

 

 

Der Titel eines netten Kinderbilderbuchs des englischen Autors Nicholas Allan lautet: „Jesus nimmt frei!“ In der Geschichte wird erzählt, dass Jesus ziemlich erschöpft war von den vielen Aktionen und seinen Reden, Heilungen, Predigten und Wundern, die er landauf, landab in Galiläa unternommen und getan hat. Und vor allem auch von den Massen, die ihm zugehört hatten und ihm dann dauernd nachgestiegen waren, bis er „eines Morgens aufwachte und völlig erschöpft war vom Gutes-Tun“. Also ging der erschöpfte Jesus zum Arzt. Der riet ihm: „Ruh dich aus, tu etwas, was dir Spaß macht.“ Nimm mal frei! Das tat Jesus dann auch und zog sich zurück ans Meer. Er ging ein paar Tage zum Baden, entspannte sich, ließ seine göttliche Seele baumeln und schöpfte neue Kraft. Einfach Urlaub machen! Jesus in Badehose?

Stimmt das? Wo steht das in der Bibel, bitte? Da steht natürlich nichts von „Badehose“ oder „Urlaub“. So etwas kannte man damals noch gar nicht. Aber es steht etwas geschrieben davon, dass Jesus sich zurückgezogen hat in die Gegend von Tyrus und Sidon am Meer, heute libanesische Küste.
 
Mehr steht nicht da.

Aber der Sinn der modernen Story ist klar: Es muss auch mal einige Zeit ohne ihn, ohne Jesus, gehen, es muss weitergehen. Diese Gelassenheit hatte Jesus sehr wohl – und später musste seine Sache ja auch ohne ihn weitergehen.

Genau das will, biblisch frei inspiriert, die Geschichte Jesus nimmt frei! uns wohl nahelegen. Als gutes Beispiel sozusagen: Nämlich, dass auch wir regelmäßig mal loslassen sollen von all dem Engagement, von aller Planung, all dem eingebildeten, sich selbst eingeredeten „ohne mich geht’s nicht oder ohne mich geht nichts“. Ob zu Hause, im Verein, im Beruf: Wir sollten uns auch mal ganz bewusst zurücknehmen. Und zwar ganz gelassen und getrost, denn: Es gibt auch so etwas wie den Wirkungskreis des Nicht-Dabei-seins, den Wirkungskreis des Nichtstuns – oder gerade trotz des Nichtstuns. Denn relativ oft entwickeln sich manche Dinge von allein, und das auch noch sehr erfolgreich, auch ohne uns – man muss vielleicht nur den Anstoß gegeben haben, ohne zu ahnen, was das auslöst. Die Samen sind gesät, die Saat wächst dann auch von alleine.
 
Jesus nimmt frei! Wie Jesus gesagt und es uns auch vorgelebt hat: „Sorget nicht um Euer Leben. Gott sorgt für Euch“ – gerade auch im Urlaub!

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen  (Münchner Merkur/tz 19.08.2022)