26.08.2022 - Seelsorge-Kolumne in der tz

 
Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Die unheimliche Macht des Bösen

 

„Bababa – Banküberfall! Das Böse ist immer und überall!“ – hat die österreichische Erste Allgemeine Verunsicherung 1986 gesungen. Dass das Böse immer und überall gegenwärtig ist – stimmt das?

Pfarrer Johannes Habdank meint: Ja, stimmt, schon zu Urzeiten und heute genauso, ganz massiv. „Da hilft nur noch Beten.“
 

 


Das Böse sei nur ein Mangel an Gutem, das letztlich das Göttliche sei, so der altgriechische Philosoph Platon. In Bibel und Christentum wird dagegen das Böse als Gegenmacht und urmenschliches Widerstreben gegen Gott gesehen, obwohl der Mensch doch wisse, was gut sei. Dabei wird das Böse gerne auch als übermenschliche Macht in Person vorgestellt: als Teufel!
 
Im Hebräischen ist Satan „der Hinderer“, – alles, was ein gutes, gelingendes Leben unmöglich macht oder ihm im Weg steht. Pfui, Teufel! Im biblischen Griechisch heißt der Teufel Diabolos, der alles durcheinanderbringt, pervertiert. Beide Bedeutungen ergänzen sich wunderbar und werden in Goethes Faust genial zusammengefasst. Dort spricht Mephisto von sich selbst:  

„Ich bin der Geist, der stets verneint!“ (Faust I). Wer sich schwertut mit der Vorstellung vom Teufel als personifiziertem Bösen, kann auf den Menschen selbst blicken, der laut Bibel seit dem Sündenfall gottfern lebt und „böse von Jugend an“ ist (nicht von Geburt an! 1. Mose 8). Der antike Kirchenvater Aurelius Augustinus sprach deswegen, etwas missverständlich für heutige  Ohren, von der „Erbsünde“, die den Menschen beherrscht: unausrottbare Ursünde ist damit gemeint. Und der neuzeitliche Philosoph Kant sprach vom „radicalen Bösen in der menschlichen Natur“, sodass der Mensch, der zwar eigentlich wüsste, was gut sei, diesem erkannten Guten permanent wie zwanghaft zuwiderhandelt.

Ähnliches hatte schon der Apostel Paulus geschrieben: „Ich tue nicht, was ich will; sondern was ich hasse, das tue ich. Wenn ich aber tue, was ich nicht will, vollbringe nicht mehr ich es, sondern die Sünde, die in mir wohnt.“

Ist das so? Das Böse in der Welt können wir in der Geschichte und heute jeden Tag wahrnehmen. Es gibt aber auch viel Gutes. Die Frage ist: Wo ist die Grenze zwischen Gut und Böse? Der russische Literatur-Nobelpreisträger von 1970 und Systemkritiker Alexander Solschenizyn schreibt in Der Archipel Gulag: „Die Linie, die gut und böse trennt, verläuft nicht zwischen Klassen, nicht zwischen Parteien, sondern quer durch jedes Menschenherz. Selbst in einem bösen Herzen hält sich ein Brückenkopf des Guten, selbst im gütigsten Herzen – ein Schlupfwinkel des Bösen.“

Viele Christen in aller Welt beten daher nicht umsonst: „Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Amen.