29.09.2023 - Seelsorge-Kolumne in der tz

Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Dankbar sein - und nicht nur zum Fest

 

Übermorgen, 1. Oktober, ist wieder Erntedank. Warum wird er gefeiert? Ein veraltetes Agrar-Folklorefest in der modernen industrialisierten, digitalisierten Dienstleistungsgesellschaft? Pfarrer Habdank überlegt, welchen Sinn Erntedank heute haben kann. Immerhin finden ihn viele fast so bedeutend wie Ostern

Gedanken von Pfarrer Johannes Habdank zum Erntedankfest.

 

Erntedankfest ist das einzige Fest im christlichen Kalender, das unmittelbar mit der Natur zu tun hat. Die Altarräume in den Kirchen sind geschmückt. Zeichenhaft wird vor Augen gebracht, wofür wir dem Schöpfer und allen Bauern danken können: Äpfel und Birnen, Kürbisse und Kartoffeln, Brot und Wein, Kraut und Rüben, Fisch und Eier, Hopfen und Malz – Gott erhalt ’s!

Erntedank ist noch mehr. Man kann den Blick weiten hin zur Ernte des persönlichen Lebens. Dass ich Freunde habe oder eine Familie, dass ich gesund bin, manches kann, anderes nicht …: Das ist nicht selbstverständlich und im übertragenen Sinne „Ernte“, denn es ist ja oft so: Gerade das, was ich mir für Geld nicht kaufen kann, oder was ich nur begrenzt beeinflussen kann, macht mein Leben reich. Wie gut, dass ich das alles habe und bin. Das ist, wenn man es ernsthaft bedenkt, trotz viel eigenen Bemühens letztlich unverdientes Geschenk und Gnade, wie man es biblisch nennt. Daher danke ich an Erntedank dem, von dem ich glaube, dass er der Geber aller Gaben ist: Gott, der Schöpfer und Bewahrer, der tragende Grund und Hintergrund unseres Lebens.

In dem geistlichen Sommerlied von Paul Gerhardt aus dem Jahre 1653 heißt es: Geh aus mein Herz und suche Freud … an deines Gottes Gaben! Er war dankbar für alle Gottesgaben, obwohl er zuvor im Dreißigjährigen Krieg seine Frau und mehrere seiner Kinder durch die Pest verloren hatte. Ja, dankbar nachdenklich sein, kann auch in Krisen- und Katastrophenzeiten des eigenen Lebens hilfreich sein, wenn es einem denn gegeben ist. Zugegeben, das ist nicht leicht, aber es erleichtert einem den eigenen weiteren Weg, wenn man auf das sieht, wofür man im Leben trotz allem dankbar sein kann.

Sich nachdenklich und dankbar Gedanken zu machen und sich sein Leben zu vergegenwärtigen, ist für mich nicht nur ein Thema an Erntedank einmal im Jahr, sondern ein wünschenswerter Sinn von Religiosität als Lebenshaltung. Man kann es sich auch an Weihnachten, Ostern oder Pfingsten bewusst machen, oder jeden Tag bei einem Waldspaziergang oder beim Sonnenuntergang am See oder Meer, auf einem Berg – manchen gibt´s der Herrgott sogar im Schlaf, wie ein altes Psalmwort lautet (aus Psalm 127). Was nicht heißt, dass man nicht selber etwas dafür tun soll, dass die Ernte des Lebens reich wird. Nicht nur für einen selber, sondern auch für andere! 

DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen (Merkur/tz 29.09.2023)