Gottesdienst
mit Pfarrer Johannes de Fallois, Starnberg
um 10:00 Uhr im Katharina von Bora-Haus
(2G-Regel und FFP2-Maskenpflicht!)
Der Gottesdienst fand im Rahmen der Predigtreihe "Gegenstände der Passion" statt. Pfarrer de Fallois' Predigt hatte den "Ysop-Stab" zum Inhalt.
Nachstehend das aufgezeichnete Livestream-Video zum Nachempfinden des Gottesdienstes und - im Anschluss daran - die Predigt zum Nachlesen.
Das aufgezeichnete Livestream-Video des Gottesdienstes zum Nachempfinden
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Passionspredigtreihe 2022 "Gegenstände der Passion" - Ysop, Zeichen der Sühne
Predigt von Pfarrer Johannes de Fallois, Starnberg
Gnade sei mit euch und Friede von Gott unsrem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes beten. Herr, segne unser Hören und Sagen. Amen.
Liebe Gemeinde!
„Ich hab Durst!“ ruft die Tochter aus dem Kinderzimmer. Der Vater hat es gehört und ruft zurück: „Dann hol dir was zu trinken. Du weißt wo der Kühlschrank ist!“ – „Nein, du musst mir was bringen. Bin grad im Videounterricht. Ich will ein Spezi!“ ruft es zurück. Papa steht etwas missmutig von seinem Arbeitsplatz am Esstisch auf, gießt ein Glas Wasser ein. Weil gerade der Saugroboter vorbeifährt, der so eine perfekt flache Oberseite hat, denkt er sich „manchmal muss man improvisieren“. Er stellt das Glas drauf und ruft: „Madame, ihr persönlicher Butler wird sie bedienen, sobald er zum Saugen in ihrem Gemach ankommt.“
Okay, ich gebs zu, die Geschichte ist erfunden und ich weiß auch nicht, ob man das probieren sollte, aber gleich noch eine. Nicht erfunden, als Student auf dem Bau selbst erlebt, inzwischen unmöglich, weil aus guten Gründen verboten.
Versuchen Sie mal rauszufinden, was beide Geschichten gemeinsam haben.
„Hey Kapo“, ruft es vom Dach runter, „wir sitzen hier auf dem Trockenen, voll die staubige Baustelle.“ Natürlich hat der Kapo unten keine Lust, seinen Leuten die Kiste Bier extra hochzutragen, aber man kann ja improvisieren. Weil er den Kran steuert, hängt er die Kiste einfach dran und navigiert sie zu den Arbeitern hinauf. Die freuen sich, dass statt Brettern und Ziegeln jetzt „Flüssignahrung“ zu ihnen schwebt. Einer ruft: „Vom Himmel hoch, da kommt es her. Ich muss euch sagen, das gefällt mir sehr.“ Die anderen schmunzeln und nehmen das Himmelsgeschenk in Empfang.
Und noch eine: „Kriegen wir auch mal was zu trinken?“ rufen Lisa und Leonie aus dem Baumhaus herunter. Aber das ist gar nicht so einfach, denn das Baumhaus ist extra coronakonform mit anderthalb Meter Abstand über der Kopfhöhe jedes Anderen aufgebaut. Die Oma unten schaut sich um und sieht einen Besen rumstehen. Und dann improvisiert auch sie. Die Saftflasche packt sie in eine Tüte, die hängt sie an den Besen und schon kann sie den beiden da oben – kontaktlos - ein Getränk quasi frei Haus … also frei Baumhaus liefern.
Vermutlich haben Sie die Verbindung längst entdeckt. Trotzdem: Eine noch.
Johannes 19,28-30: „Danach, als Jesus wusste, dass schon alles vollbracht war, spricht er, damit die Schrift erfüllt würde: Mich dürstet. Da stand ein Gefäß voll Essig. Sie aber füllten einen Schwamm mit Essig und legten ihn um einen Ysop und hielten ihm den an den Mund. Da nun Jesus den Essig genommen hatte, sprach er: Es ist vollbracht. Und neigte das Haupt und verschied.“
Damit sind wir beim Thema: „Mich dürstet“, ruft mit schwacher Stimme Jesus von oben herunter. Unter ihm sitzen Soldaten, die hören seine Bitte. Dass er sich nichts selber holen kann, ist klar, denn Jesus hängt am Kreuz und ist kurz davor, zu sterben. Einer steht auf und geht zu dem Behälter mit dem Essiggetränk, das sie als Erfrischung für sich dabei haben. Er macht einen Schwamm voll. Dann schaut er sich um, womit er den Schwamm hinaufreichen könnte. Auch hier ist Improvisieren angesagt. Er findet eine Ysoppflanze. Die ist zwar nicht sehr lang, aber sie ist geschickt, denn diese Pflanze ist eine Art Stab, der sich oben fein verzweigt. Da kann er den Schwamm gut in die Verästelungen reinstecken und ihn zu Jesus hochreichen. Er reicht den Schwamm bis an den Mund von Jesus. Wie der Soldat noch mit dem Ysop in der Hand dasteht, sagt Jesus „Es ist vollbracht“ und dann stirbt er.
Liebe Gemeinde, für den Soldaten war der Ysopstab schlichtweg praktisch. Halt das, was er gerade gebraucht hat, um Jesus erreichen zu können. Doch der Evangelist Johannes nennt den Ysop in seinem Evangelium nicht nur, weil der hald zufällig gerade rumlag. Johannes weist uns mit dieser Information hin auf eine viel tiefergehende Bedeutung.
Dazu ist ein Blick in die Bibel hilfreich, wo dort der Ysop vorkommt.
In der Bibel ist der Ysop nämlich ein ziemlich prominentes Gewächs. Los geht’s in Ägypten. Nach 9 Plagen steht die Bedrohung Nummer 10 an. Das Volk Israel will ins verheißene Land ziehen, aber der Pharao will sie nicht freilassen. Vor der 10. Plage sagt Gott durch Mose, dass sie ein Lamm schlachten sollen. Und dann: (2. Mose 12,22) „nehmt ein Büschel Ysop und taucht es in das Blut in dem Becken und bestreicht damit die Oberschwelle und die beiden Pfosten. Und kein Mensch gehe zu seiner Haustür heraus bis zum Morgen. Denn der HERR wird umhergehen und die Ägypter schlagen. Wenn er aber das Blut sehen wird an der Oberschwelle und an den beiden Pfosten, wird er an der Tür vorübergehen und den Verderber nicht in eure Häuser kommen lassen, um euch zu schlagen.“ Die Ysoppflanze soll also wie ein Pinsel hergenommen werden. Dazu bietet sie sich an, denn sie kann das Blut vom Lamm aufnehmen und mit ihr kommt man gut an den Balken über der Tür. Doch viel wichtiger ist: Mit dem Ysop bringen die Israeliten eine Markierung an, die zeigt, wer zu Gott gehört und deshalb verschont wird, wenn das große Sterben kommt.
Nur wenige Monate nach dem Auszug aus Ägypten schließt Gott am Berg Sinai mit seinem auserwählten Volk Israel einen Bund. Dieser Bund wird mit Blut besiegelt, mit Blut von Opfertieren. Nach Gottes Anweisung sprenkelt Mose das Blut über die Israeliten. Und was benutzt er zum Versprenkeln? Genau: Es ist wieder ein Büschel vom Ysop-Busch (2. Mose 24,8). Der Ysop wird so zum Zeichen für Gottes Bund.
Nochmal etwas später finden wir im 4. Mose 19,18f eine Anweisung, wie jemand, der unrein wurde, wieder gesühnt werden kann. Dazu soll eine reine Person Ysop nehmen und ins Wasser tauchen und das Zelt besprengen und alle Gefäße und alle Leute, die darin sind; ebenso auch den, der sich unrein gemacht hat. „Es soll aber der Reine den Unreinen am dritten Tage und am siebten Tage besprengen und ihn am siebenten Tage entsündigen, und der soll seine Kleider waschen und sich mit Wasser abwaschen, so wird er am Abend rein.“ Auch da wird wieder der Ysop eingesetzt, um Sühne zu leisten, also um Reinheit vor Gott wiederherzustellen.
Auch David nimmt das auf in einem seiner Psalmen. Im Psalm 51, den wir in Auszügen vorhin gebetet haben, heißt es in Vers 9: „Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde; wasche mich, dass ich weißer werde als Schnee.“
Der Ysop steht in der Bibel also für Sühne, für Reinheit, für die Beseitigung von allem, was zwischen Menschen und Gott steht.
Der Ysop ist also nicht irgendein Stängel, der geschickterweise gerade unterm Kreuz rumliegt. Wenn man mit dem Blick der ganzen Bibel auf das schaut, was am Kreuz passiert, kurz bevor Jesus sagt „Es ist vollbracht“, dann sieht man am Ysop, dass die ganze Geschichte der Versöhnung durch Gott, die Reinigung und Entsühnung, die er den Menschen ermöglicht, in Jesus ihren Höhepunkt findet. Hier am Kreuz, durch das Blut Jesu, werden wir befreit, hier wird der Neue Bund Gottes mit den Menschen, den er durch das Blut Christi schließt, besiegelt. Hier werden wir gereinigt.
Der Ysop ist also ähnlich wie, ja wie dieser Besen dort. Sie haben sich vielleicht schon gefragt, warum der hier rumsteht, vom Mesner oder Hausmeister blöderweise im Altarraum vergessen? Nein, natürlich liegt der hier zufällig rum. Man könnte auch ihn nutzen, um jemandem auf Distanz ein Getränk zu reichen müsste, ist er ist auch Zeichen für viel mehr: Der Besen steht für dafür, dass hier was gereinigt wird. Dass weggefegt wird, was uns unrein macht. Nichts anderes ist der Ysop in der Passionsgeschichte: Ein Reinigungsgerät.
Einen Ysopstrauch hat vermutlich kaum jemand von Ihnen zu Hause, also zumindest nicht den originalen sogenannten Syrischen Ysop, das Origanum Syriacum, eine Majoranart. Eine Gewürz- und Heilpflanze, die auch in Palästina wächst mit kräftigem Aroma, eben wie Origano oder Majoran, die wir von der Pizza oder aus den Fränkischen Bratwürsten kennen. Die Stängel sind mit vielen grauen Härchen bedeckt, und man sagt, dass diese die Blutgerinnung verzögern.
Für die Passionszeit und erst recht für den Karfreitag wäre das mal die perfekte Dekoration. Als Erinnerung an die Sühnetradition. Aber weil das mit dem Original so schwer ist, tut so ein Besen eben auch. Wie wär’s, wenn Sie daheim über die Karwoche und die Ostertage einen Besen irgendwo ganz auffällig hinstellen. An einer Stelle, wo man ständig fast drüberstolpert. Meinetwegen auch einen Saugroboter, der dann auch als Getränkelieferant eingesetzt werden könnte. Einfach als Erinnerung,
- dass auch Sie und ich durch Karfreitag rein werden.
- Dass Jesus auch für Sie und mich Sühne geleistet hat
- Dass sozusagen mit diesem Tag Christus alles wegfegt, was uns von Gott abhalten will.
- Dass uns Gott seinen Neuen Bund schenkt in Jesus Christus.
- Dass Jesus uns mit seinem Blut das gegeben hat, was wir uns über die Tür unseres Lebens als Markierung anbringen sollten.
- Dass nämlich der Tod hier nicht reinkommt. Und dass hier Menschen wohnen, die zum ewigen Gott gehören.
Der Ysop als Gegenstand der Passionsgeschichte macht deutlich, dass es hier um Sühne geht. Ein kleiner unbedeutender Hinweis, dass wir durch Jesu Sterben rein werden, sodass der Gottesbegegnung nichts mehr im Weg steht. Ein botanisches Zeichen für die Reinigung, wie bei uns hier der Besen.
Jesus macht sozusagen unsere Gottesbeziehung besenrein. Ysop-rein. Gesühnt rein. Die Karwoche wird zur Kehrwoche wenn man so will. Karfreitag - ein echter Straßenfeger. Für die, der sich von Jesus rein machen lassen. Am Kreuz werden wir gereinigt, so dass wir´s an Ostern sehen können, dass die Gemeinschaft mit Gott auch vom Tod nicht aufgehalten werden kann. Im übertragenen Sinn müsste der Karfreitag dann ja fast ein Putztag sein, nach dem Motto: Fege heute nochmal richtig durch, damit es dann für dich persönlich Ostern werden kann. Karfreitag: ein Putztag für unsere Gottesbeziehung.
Nun gut, weder in der Passionszeit noch am Karfreitag hat sich ein Brauch des Fegens entwickelt und auch kein Ysop-Deko-Trend. Und das ist schon auch okay so. Denn Gott hat uns ja noch ein anderes Zeichen gegeben, mit dem wir uns das vergewissern dürfen. Was Jesu Blut uns schenkt, daran sollen wir denken, wenn wir den Wein beim Abendmahlschmecken. So hat es Jesus selbst gesagt. „Dies ist mein Blut des Neuen Bundes … Denkt an mich, wenn ihr davon trinkt!“ Und das Brot ist sein Leib, der am Kreuz gebrochen wird. Der stirbt für uns. So dass wir leben dürfen.
Vielleicht kann man sagen: das Abendmahl ist ein bisschen wie ein Besen … oder wie der Ysop: Es zeigt uns, dass Jesu Sterben uns versöhnt. Es macht uns bewusst, dass wir persönlich vor Gott rein sind. Dass alles weggefegt ist, was sich zwischen uns und Gott aufgetürmt hat.
Amen.