Musikalischer Abendgottesdienst "Lust auf Kirche!"
um 18.30 Uhr im Katharina von Bora-Haus
mit Prädikant Peter Schickel und
Philipp Schickel (Klarinette) und Bettina Schickel (Klavier)
mit Werken von Lefèvre, Gade, Stamitz und Ferguson
Der Gottesdienst fand statt im Rahmen der Predigtreihe "Gegenstände der Passion", während der verschiedene Prediger aus Nachbargemeinden um den Starnberger See nach Berg kommen.
Am Sonntag Judika drehte sich alles um das sehr aktuelle Thema "Blut".
Nachstehend (ggf. "Weiterlesen" anklicken) das aufgezeichnete Livestream-Video zum Nachempfinden des Gottesdienstes und - im Anschluss daran - die Predigt zum Nachlesen.
Das aufgezeichnete Livestream-Video des Gottesdienstes zum Nachempfinden
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Predigt von Prädikant Peter Schickel am 03.04.2022, Judika, über den Römerbrief 5,8-10 (Thema "Blut" im Rahmen der Predigtreihe "Gegenstände der Passion" in der Region "Starnberger See Nord" )
I. Herr über Leben und Tod
Liebe Gemeinde,
Blut ist Leben.
Wenn Blut vergossen wird, geht das Gott etwas an. Diesen einfachen Zusammenhang kannten die Menschen seit Anbeginn der Zeit. Wir sind aus Fleisch und Blut. Blut ist Leben. Wer Blut vergießt, der übt Macht aus über das Leben. Der Mensch, der Blut vergießt, meistens das der anderen, der will über das Leben bestimmen. Ein Spiel auf Leben und Tod. Aber wenn Blut fließt, dann hat es sich gleich ausgespielt. In seiner Hybris spielt der Mensch selbst Gott – er wähnt sich selbst der Herr über Leben und Tod zu sein. Dabei ist der wahre Herr über Leben und Tod ein ganz anderer – er ist der Lebendige par exelence. Er ist es, der das Leben gibt und auch nimmt – Gott ist es! Er allein!
Wenn Blut von Menschen vergossen wird, dann geht das Gott an. Dann geht es um Krieg oder Tod. Denn wer unschuldiges Blut vergießt, hat keine Ehrfurcht vor Gott und dem Leben. Unschuldiges Blutvergießen bedeutet Entscheidung für Tod. Blut hat eine starke Stimme. Unschuldig vergossenes Blut schreit zum Himmel und Gott hört das. Ich bin gewiss, Gott hört diese Stimme. In der alttestamentlichen Lesung haben wir gerade die Stelle gehört, die bis heute bei der jüdischen Beschneidung zitiert wird. Gott sieht den Menschen in seinem Blut an und spricht zu ihm: „Du sollst leben“. Der Mensch ist dabei vollkommen hilflos wie ein neugeborenes Kind. Und nur wie ein kleines Kind kann er das Leben von Gott annehmen. Die Blutstropfen die dabei fließen besiegeln nach jüdischem Verständnis den Bund mit Gott zum Leben. Auch die Passion Christi am Kreuz ist von diesem Symbol des Blutes getragen. Wie laut hat damals das unschuldig vergossene Blut geschrienen? Können wir diese Stimme heute noch hören?
II. Paul Gerhard und die evangelische Passionsfrömmigkeit
Einer, der diese Stimme hörte, war Paul Gerhardt – das war 1653.
Wir haben sein berühmtes Gedicht „O Haupt voll Blut und Wunden“ bereits gesungen. Im Evangelischen Gesangsbuch finden sich 30 Paul Gerhard Gedichte in Liedform mit insgesamt 327 Strophen. Vielleicht hat er sich die vielen Schicksalsschläge in seinem Leben von der Seele schreiben wollen. Zuerst stirbt der Vater – da war er gerademal zwölf - nur zwei Jahre danach die Mutter. Sein Bruder Christian stirbt mit nur 31 Jahren an der Pest. Er selbst scheint nach 15 Jahren Studium noch keinen Abschluss zu haben – dafür aber Gottvertrauen. Denn er dichtet und dichtet. Als er eine vakante Pfarrstelle antritt, ist er bereits 44 Jahre alt. Er heiratet endlich seine langjährige Freundin Anna Maria. Sie ist 16 Jahre jünger als er. Nach acht Monaten stirbt die erste Tochter. Drei weitere Kinder sterben in den nächsten drei Jahren ihrer Ehe - eine „enge Nachbarschaft von Wiege und Sarg“ – Leben und Tod. Schließlich stirbt auch seine Frau. Der einzige Überlebende der Familie wird der Sohn Paul Friedrich sein.
Ich frage mich, wie kann ein Mensch, der so etwas erlebt hat so selige Gedichte schreiben? Er muss trotz allem persönlichen Leid seelenruhig gewesen sein – seelenfriedlich. Seine Lieder spenden bis heute Trost für die Seele. Jetzt erst recht. Nichtgeachtet allen Leidens drückt er sein eigenes Urvertrauen aus – seine tiefe Verbundenheit, seine Geborgenheit in Gott.
Sein Lied „O Haupt voll Blut und Wunden“ ist sehr emotional. Aber keine Aufforderung zum eigenen Mitleiden, wie oft verstanden - Keine mystische Vereinigung mit dem äußersten Leidenserleben, sondern ein Erkennen der eigenen Unzulänglichkeiten und Fehler. Es ist eine Art gesungene Meditation – für eine bessere Sicht der inneren Dinge. Wenn man sie wirken lässt, wird sie persönlich und auf einmal blickt man selbst auf das Kreuz und meint fast das Leid des Christus mit eigenen Augen vor sich zu sehen - das Leid, das Jesus für uns nimmt. Das Leid, das wir selbst verursacht haben – das auch ich verursacht habe, mein eigenes Defizit an wahrer Liebe. Jeder Mensch trägt dazu bei.
Wenn ich auf den Beistand Christi hoffe, der „Trost in meinem Tod“ sein soll, wie es in der zehnten Strophe heißt, dann entdecke ich vielleicht auch einen Funken Dankbarkeit in mir. Trost kann man sich nicht selbst zusprechen. Trost muss einem gegeben werden. Trost ist ein Geschenk Gottes. Ich erkenne im eigenen Leid, dass ich mit Christus verbunden bin über die Zeit hinweg, auch in meinem eigenen Tod, wenn er dann kommt, wenn mein eigenes „Herze bricht“. Da weiß ich was tun.
„Da will ich glaubensvoll / Dich (Jesus) fest an mein Herz drücken.“ und bin gewiss, „Wer so stirbt, der stirbt wohl“.
III. Trost durch Christi Bund mit uns
Trost kommt aber nicht allein, sondern nur in Gemeinschaft. Dieses starke Band zwischen Jesus und uns lässt mich hoffen. Für diese Verbundenheit mit uns ist er gestorben. Er setzte sich für uns ein. Den erstaunten Petrus mit dem Schwert in der Hand und weiterem Blutvergießen im Kampf herrscht Jesus an, er solle Ihn (Jesus) ruhig den Kelch trinken lassen, den sein Vater ihm gegeben hat (Joh 18,11b). So wollte er es und nicht anders. Was Jesus antrieb, war den Bund mit uns Menschen zu erneuern, so wie er selbst mit Gott verbunden war. Diesen Bund wollte er für uns ermöglichen. Das neue Testament in seinem Blut. Hin zu seinem Bund mit uns. Hin zu seiner Lebenshingabe für uns. Für diese Verbindung zu Gott für uns starb er.
IV. Gottes Kinder sind für den Frieden
Im Garten Gethsemane betet er voller menschlicher Angst: „nicht wie ich will, sondern wie du willst“ (Mt 26,39b/Lk 22,42). Seine Verbundenheit mit Gott war unüberbietbar, wie zu einem liebevollen, gnädigen Vater. Ihn nannte er Abba, lieber Vater. Er lehrte uns das Gebet, in dem wir bitten sollen mit seinen Worten – das Vaterunser. Er hat diese Verbundenheit mit Gott an uns weitergegeben. In seiner unübertrefflichen Beziehung zu Gott sind wir bis heute mit ihm verbunden, denn seit damals dürfen auch wir Gottes Kinder sein (Joh 1,12).
Ja, lass uns durch dein Blut und Leben selig zu deinen Kindern werden, dann kann es auch Frieden geben unter den Menschen, denn Jesus spricht: „selig sind, die Frieden stiften; [denn] sie werden Gottes Kinder heißen“ (Mt 5,9).
Ja, wenn unschuldiges Blut vergossen wird, dann geht uns das damit auch etwas an.
Jesus gab sein Leben für uns, damit dieser göttliche Bund in uns lebt, damit auch wir Kinder Gottes werden können. Das ist die Botschaft des Christus für uns - sein Evangelium von der Liebe Gottes. Durch seine Tat am Kreuz können wir an seiner Beziehung zum Vater teilhaben.
V. Selig durch sein Leben
Paulus schreibt darüber im Römerbrief im fünften Kapitel: (Das ist auch das heutige Predigtwort aus Römerbrief 5,8-10)
8 Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. 9 Um wie viel mehr werden wir nun durch ihn gerettet werden vor dem Zorn, nachdem wir jetzt durch sein Blut gerecht geworden sind. 10 Denn wenn wir mit Gott versöhnt worden sind durch den Tod seines Sohnes, als wir noch Feinde waren, um wie viel mehr werden wir selig werden durch sein Leben, nachdem wir nun versöhnt sind.
„Selig werden durch sein Leben“, das können wir heute. Sie und ich - wir alle – trotz allen Leides, Dank Jesus Christus. Es ist dieser neue Bund mit Jesus durch sein Blut der uns selig machen kann – über alle Zeiten hinweg. Dann nämlich, wenn wir sein Lebensgeschenk wie Kinder Gottes für uns selbst im Glauben annehmen – ohne eigenen Verdienst und eigene Taten. So selbstverständlich wie es Kinder von ihren Eltern tun. So selbstverständlich wie Kinder geborgen sind in der Liebe ihrer Eltern.
Erinnern Sie sich an Ihre eigene Kindheit und die Geborgenheit, die sie von Ihren Eltern erfahren haben. Lassen Sie sich heute trösten von ihrem Bruder Jesus Christus. Seien Sie umarmt von seiner Liebe. Jetzt und hier.
„Von guten Mächten treu und still umgeben, behütet und getröstet wunderbar …“ kommt mir dabei in den Sinn.
Wir werden das Lied von Dietrich Bonhoeffer später noch gemeinsam singen.
Vielleicht gibt uns seine Stimme wieder etwas Zuversicht. Zuversicht auf einen neuen Einbruch Gottes in unsere Welt. Zuversicht seine Stimme des Lebens wieder zu hören. Die Gemeinschaft mit Gott neu zu spüren – trotz allem. Zuversicht seine Stimme neu zu erleben.
VI. Seine Stimme heute hören.
Ach, apropos „Stimme“, am vergangenen Donnerstag hab ich eine ganz moderne Stimme zum Thema gehört. Es sprach der Evangelisch-Lutherische Bischof der Ukraine Pavel Schwarz per Livestream in unserer bayerischen Landessynode. Er dankte in christlicher Verbundenheit nicht nur für die vielen Spenden, sondern für die Stimme unserer Kirche. Die Stimme, die „allen Menschen“, die von der „unfassbaren Gewalt des vom russischen Staatspräsidenten begonnenen Krieges, betroffen sind“, „tiefes Mitgefühl“ ausspricht. „Dass Menschen – Soldaten wie Zivilbevölkerung – für politische und militärische Ziele instrumentalisiert, verletzt und getötet werden, verurteilen wir auf das Schärfste.“, spricht sich unsere Kirche aus. (In einer Stellungnahme der Kirchenkonferenz der EKD in ihrer Sitzung am 23./24. März 2022). Der Bischof dankte dafür, dass eben nicht in diplomatischen Floskeln verharmlost wird - wie schon in der Vergangenheit geschehen, sondern, dass dieser Krieg eindeutig beim Namen genannt wird. Gegen eine falsche Mythenbildung – die gäbe es nämlich sogar bei christlichen Kirchen. Er mahnte aber auch gleichzeitig an, dass wir gemeinsam einen langen Atem brauchen werden. Es wird kein Sprint, sondern ein Langstreckenlauf sein, bis sich etwas ändert. Aber es wird sich ändern!
Bis dahin wollen wir auf den Frieden warten. Nicht untätig, sondern voll mitfühlendem Tun. Denn das Christsein in der Krise besteht aus dreierleih, wie Bonhoeffer sagte:
Nämlich nicht nur im Beten
und auch nicht nur im Tun des Gerechten unter den Menschen,
sondern auch
im Warten auf Gottes Zeit.
Dazu helfe uns der lebendige Gott.
Danke, Abba, lieber Vater im Himmel –
für Deinen Sohn
und Danke, lieber Bruder Jesus
für Dein Blut und dein Leben, das du gegeben hast
für uns alle hier
und dort auch!
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.