14.08.2022 - 9. Sonntag nach Trinitatis

Gottesdienst


mit Pfarrerin Christiane Döring, Feldafing-Pöcking


um 10:00 Uhr im Katharina von Bora-Haus, Berg

Der Gottesdienst fand statt im Rahmen der Predigtreihe „Das Meer. Von den Tiefen und Untiefen des Lebens". Thema der Predigt von Pfarrerin Döring: Salzwasser".

Nachstehend (ggf. "Weiterlesen" anklicken) die Predigt zum Nachlesen.

 

„Salzwasser“
Predigt von Pfarrerin Christiane Döring, Feldafing-Pöcking, in der Sommerpredigtreihe 2022:
„Das Meer. Von den Tiefen und Untiefen des Lebens“

 

Liebe Mitchristen,

Salzwasser habe ich mir als Thema für unsere Sommerpredigtreihe ausgewählt. Salziges Wasser.
Wo kommt es vor?
Meer und Tränen bestehen aus Salzwasser.

Das salzige Wasser des Meeres löscht keinen Durst. Es macht Durst, es lässt verdursten mitten im Meer.
Es brennt in den Augen, brennt in Wunden.
Wenn Quellen versalzen, dann stirbt das Leben ringsum.

Salzwasser – ein Feind des Lebens.
Und so heißt auch der große Binnensee mit sehr hohem Salzgehalt in Israel bei uns Das Tote Meer – ohne Fische, ohne Krabben, ohne Muscheln.
Ringsum Wüste, Steine.

Und Tränen sind salzig.

Ich möchte heute von 2 Geschehnissen am Toten Meer erzählen.
Zuerst von einer Frau, in ihr kommen die Tränen und das Meerwasser zusammen.
Und dann von Gott, der in einem Zukunftstraum das salzige Wasser des Toten Meeres in Süßwasser verwandelt.

Zuerst zu der Frau. Ihr eigener Name wird nie genannt. Sie heißt nur Lots Frau. Das ist bezeichnend.
In ihrer Geschichte reden und handeln auch nur Männer.
Die Männer entscheiden, dass die Familie in eine Stadt zieht, in einen Ort voller Fremdenhass und Gewalt. Sodom genannt.
Als die Gewalt in Sodom zu eskalieren droht, redet Lot, also der Mann dieser Frau, mit den dortigen Männern und trifft eine grausame Entscheidung: im Namen der Gastfreundschaft, also vor allem im Namen patriarchaler Gewalt, bietet er seine Töchter als Tauschobjekt für eine Vergewaltigung an.
Weder Lots Frau noch die Tochter kommen zu Wort.
Sie können Lot nicht in den Arm fallen und auch nicht zur Rede stellen.
Aber ich glaube, dass Lots Frau geweint hat, salzige Tränen, Tränen der Ohnmacht, der Trauer, des Entsetzens, der Hilflosigkeit.
Hat jemand ihre Tränen gesehen? Hat sie jemand abgewischt?
Oder hat Lots Frau nach Innen geweint? Von außen nicht zu sehen, lächelnd oder das Gesicht zu einer Maske erstarrt? Und ihre Tränen blieben innerlich.
Bald darauf ist die Familie auf der Flucht, verlässt den Ort des Grauens, der aber auch einmal Heimat war.
Sie kommen bis zu einem riesigen See. Dem Toten Meer.
Salzmeer sagt die Bibel – ein totes Meer, ein lebensfeindlicher Ort.
Für die Menschen damals in Israel war es ein verfluchter Ort.
Das Salzmeer ist 9x salziger als das Mittelmeer.

Es leben keine Fische oder Krebse darin. Der Salzgehalt ist zu hoch.
Inzwischen wissen wir, dass es am Meeresgrund Mikroorganismen gibt.
Aber die Menschen damals wussten es nicht, für sie war es ein toter, ein verfluchter Ort.
Keine Rehe oder Vögel oder Ziegen, die an seinem Ufer trinken.
Das Salzmeer liegt tief unter dem Meeresspiegel.
Es ist heiß dort, heißer als an anderen Orten.
Und merkwürdige Felsformationen entstehen dort aus dem Wasser, dem Salz und den Felsen.
Und ein Fels, so wird erzählt, ist Lots Frau. Lots Frau zur Salzsäule erstarrt auf ewig.

Was war passiert?
Die Familie kommt an das tote Meer, denn sie sollen gerettet werden vor dem Verderben, das Gott über die grausame Stadt Sodom bringen will. Sie sollen fliehen – ohne einen Blick zurück.
Aber Lots Frau dreht sich um und erstarrt. Sie erstarrt zur Salzsäule.
Sie versteinert und steht auf ewig nun am Ufer des Toten Meeres.

Das wurde immer wieder so gedeutet, dass das ihr Strafe sei, weil sie Gott nicht gehorcht hat, sondern sie hat doch zurückgeblickt. Oder ihr Blick zurück soll bedeuten, dass sie den Blick nicht von der Vergangenheit lösen konnte. Möglich.
Aber vielleicht ist sie auch erstarrt über dem Schrecklichen, das sie sah.
Vielleicht hat sie geweint, um ihr vergangenes Leben, um die Bewohner Sodoms, die dem Untergang geweiht sind, aber doch auch einmal ihre Nachbarn waren. Vielleicht hatte sie Mitleid mit den Bewohnern ihrer alten Stadt – trotz allem Schrecklichen, das sie getan hatten und tun wollten. Gott wollte sie schonen, aber Lots Frau hat sich selbst nicht geschont. Gott wollte, dass sie nicht zurückschaut, denn er wusste, dass dieses Grauen ihr nicht nur für einen Moment, sondern für immer den Atem verschlägt. Lots Frau hatte Mitgefühl. Und sie hat einen hohen Preis für ihr Mitleid gezahlt. Sie ist erstarrt im Angesicht des Leidens der anderen.

Diese Deutung ist mir wichtig: dass Lots Frau erstarrt ist keine Strafe, sondern eine Folge ihres Blicks zurück. Es gibt Katastrophen, deren Anblick überfordert und erstarren lässt.
Auch heute sehen immer wieder Menschen ihre Heimatorte in Rausch und Asche aufgehen und kommen zu uns – erstarrt. Immer wieder Menschen werden Zeugen von ganz Schrecklichem, sie weinen nicht, sondern erstarren.

Manche sagen, die Tränen haben sich in Lots Frau gesammelt, so lange, bis sie zur Salzsäule wurde. Geologen sagen, dass sich diese Säulenformationen am Ufer des Toten Meeres wegen des hohen Salzgehaltes bilden. Es kann beides stimmen.
Der Name von Lots Frau wurde vergessen, aber nicht ihr Schicksal, nicht ihre Tränen am Toten Meer. Dass das Leben manchmal so grausam ist, wird bewahrt und in der Bibel nicht verschwiegen. Und vielleicht ahnen Sie, dass es eine aktuelle Geschichte ist, auch nach 3.000 Jahren ereignet sie sich immer wieder.

Und jetzt zu einer anderen Bibelstelle zum Toten Meer. Ich vermute, sie ist gar nicht so bekannt wie die von Lots Frau. Hier wird Gottes wunderbares Handeln angekündigt. Sie klingt wie ein Traum.

Sie haben es vorhin gehört in der Vision des Propheten Ezechil.
Der Prophet wird hinausgeführt vor die Tür des Tempels. Und da draußen sieht er, wie das Wasser unter der Schwelle des Tempels hindurch fließt und sich einen Weg bahnt hinaus, und wie es aus der Wand quillt und anschwillt zu einem Strom. Er sieht das Wasser, Element, aus dem alles Leben entsteht. Es ist pure Schöpfungskraft. Und er weiß: Es ist von Gott. Bei Gott entspringt alles, was lebt. Aber Gottes Kraft bleibt nicht bei sich. Sie entspringt im Heiligtum, geht aber hinaus, überwindet Türen, durchbricht Mauern. Und wie jeder Fluss, von der Quelle her gespeist, sich ausbreitet zum Meer hin, so auch das Wasser des Lebens. Es nimmt seinen Lauf. Und wie jeder Strom irgendwann ins Meer mündet, so fließt dieser Strom in ein Meer, ins Tote Meer.
Und es heißt: Sein Wasser soll gesund werden und alles, was darin lebt – Fische tummeln sich darin, große, kleine, viele verschiedene Arten.
Fischer werfen ihre Netze aus, und schon bald sind sie gefüllt mit Fischen,
ihre Schuppen glänzen in der Sonne.
Nach getaner Arbeit trocknen die Fischer abends ihre Netze am Ufer.
An grünen Ufern, bewachsen mit Bäumen, Bäumen voller Früchte.

Das ist die großartige Verheißung, die dem Propheten, die uns gegeben ist: Was von Gott her seinen Anfang nimmt, das will sich entfalten, will wachsen. …und wenn der Strom ins Meer fließt, soll dessen Wasser gesund werden und alles, was darin lebt und webt, wohin der Strom kommt, das soll leben.“

Gott, die Quelle des Lebens, entfaltet seine Lebenskraft, wandelt alles Lebensfeindliche in das Lebensreiche. Wo noch der Tod regiert, soll neues Leben wachsen. Selbst so lebensfeindliche Orte wie das Tote Meer werden zum neuen Garten Eden, zum Paradies.
Zukunftsmusik. Für das Tote Meer. Im Moment sinkt der Wasserspiegel immer weiter ab, da der Jordan immer weniger Wasser mit sich bringt. An zu vielen Stellen wird das Jordanwasser entnommen und das Tote Meer wird immer kleiner.
Zukunftsmusik. für Menschen wie Lots Frau.
Aber Ezechils Vision ist ein Traum für die Ewigkeit, dass Gottes Lebenskraft alles Tote erweckt, dass Frucht bringt, was hier verdorrt schien, dass Tränen fließen, deren Salz vorher erstarren ließ.
Zukunftsmusik für Menschen wie Lots Frau.
Aber ich stelle mir vor, dass Gott ihr die Tränen abwischt und sie und ihre Töchter heilt. Dass sie Wertschätzung bekommt für ihr Mitgefühl. Dass dann auch sie sich aus der Erstarrung löst.

Bis es so weit ist, brauchen Frauen wie Lots Frau, und Kinder und Männer, die traumatisiert sind, die erstarrt sind über dem Schrecklichen, das sie sehen mussten, unsere Geduld und unseren besonderen Schutz. Wir dürfen uns nicht abwenden. Sie brauchen unser Mitgefühl, bis sie Heilung finden und sich aus der Erstarrung lösen können, oder bis der Tag, kommt an dem Gott alles Versalzene und Verdorrte verwandelt und es zu neuem Leben erwacht. Amen.