Predigt von Prädikant Peter Schickel am 20. Sonntag nach Trinitatis - Reformationsfest 2022: "Gedanken zu Psalm 46"
I.
Liebe Gemeinde,
es ging „um die Wurscht“, damals, 1517 in Wittenberg - freilich nur im übertragenen Sinne.
Ein kraftvoller Gott.
Ein liebender Gott.
Ein gnädiger Gott.
Der allein durch Gnade gerecht machende Gott, den er gerade erst in der heiligen Schrift gefunden hatte, stand für den jungen Theologieprofessor Martin Luther zur Disposition. Sein Gott wurde zweckentfremdet für eine gänzlich unheilige Bereicherung.
Dagegen wehrte er sich. Mit Worten. Und tatsächlich: ein paar Worte veränderten die Welt.
Übrigens, wahrscheinlich befestigte er seinen Thesen-Zettel mit Wachs an der Kirchentür und nicht mit einem Hammer. Seine 95 Thesen schlugen aber trotzdem gewaltig ein – dabei waren es vermeintlich doch nur ein paar "Wörtlein" eines kleinen Augustinermönchs. Aber es ging um viel.
Gottes Liebe und Güte und Gnade sei nicht kaufbar. Weder früher noch jetzt noch später. Unmöglich.
Die Gnade Gottes könne gar nicht von Menschen erkauft werden. Es gäbe auch keinen Beleg für einen sogenannten Gnadenschatz des Papstes in der Schrift, den Jesus oder die Heiligen der Kirche zusätzlich vermacht hätten. Sondern die Gnade Gottes sei für die Menschen da, die an Jesus Christus glaubten. Und nicht mal der Glaube an Jesus könne verkauft werden. Er käme nämlich von Gott. Geschenkt. Vollkommen gratis, all inclusive und umsonst. Denn Gott vergäbe allein aus echter Gnade und nicht, weil einer sein Portmonee zückt und ein paar Scheine hinblättert.
Oder wie Luther es in seiner polemischen Streitschrift „Wider Hans Worst“ in derben Worten beschreibt, könne es doch in Gottes Namen nicht sein:
„Item: Wenn einer Geld in den Kasten legt für eine Seele im Fegfeur, sobald der Pfennig auf den Boden fiel und klünge, so führe die Seele heraus gen Himmel.“
Pffft. Einfach so.
Klingeling und Pffft.
II.
Liebe Gemeinde,
was für unsere heutigen, aufgeklärten Ohren vielleicht lächerlich klingen mag, war sehr gefährlich. Es erforderte großen Mut, sich gegen die Einnahmen der Kirche zu stellen. Es war sogar eigentlich eine Katastrophe für einen abhängigen Mönch der Kirche.
Trotz der Katastrophe dem eigenen Gewissen folgen und fein lustig bleiben, war angesagt. So wie in Psalm 46, den wir gerade im Wechsel gelesen haben.
(Übrigens, ich hab ihnen verschiedene Übersetzungen vom Psalm 46 mitgebracht. Luther übersetzt ab 1531 im Geburtsjahr seines Sohnes Martin recht poetisch „Dennoch soll die Stadt Gottes fein lustig bleiben mit ihren Brünnlein“, früher 1524 übersetzte er noch wörtlicher. Schauen Sie doch einmal was dort in den anderen Bibeln steht).
Luther war ja Psalmenexperte. Seine erste eigenständige Vorlesung ging über die Psalmen. Er hatte als Augustinermönch die Gebete und Lieder schon hunderte Male gehört, denn jede Woche wurden alle 150 Psalmen ganz vorgelesen. 52 Wochen im Jahr. Er hatte die Psalmen verinnerlicht und kannte sie bestimmt zu großen Teilen auswendig, wenn nicht sogar alle. Er sah in ihnen eine kleine Bibel, denn „aus den Psalmen sprächen das Gesetz und das Evangelium wie durch die Seele des Menschen hindurch. Um sie richtig auszulegen brauche es einen gewissen Überblick. Man dürfe nicht von einem Wort oder Satz alleine ausgehen. Zudem müsse man sie selbst singen oder zumindest selbst sprechen. Das tun wir auch heute in diesem Gottesdienst.
Der 46. Psalm war ihm ganz besonders lieb. Er hat sein berühmtes Lied „Ein feste Burg“ daraus gemacht. Eine Nachdichtung mit Gesang. Für ihn ist der Psalm 46 ein einziger Lobpreis Gottes – ein Hymnus – kein Schrecknis. Obwohl darin eine Katastrophe beschrieben wird, eine Katastrophe, die schrecklicher nicht sein kann. Das Meer, als Innbegriff für alles Böse und gottlose, schäumt so stark, dass die Berge hinein stürzen. Aber gleichzeitig ist die Stadt Gottes in Sicherheit. Nur weil Gott in ihr ist. Nur weil Gott in ihr wohnt. Sie wird sogar fein lustig bleiben. Gott hilft ihr. Gott hilft ihr früh am Morgen. Kurz vor dem Aufstehen. Nichts kann ihr geschehen, denn sie hat die Quelle des Lebens in sich mit ihren Brünnlein. Sie ist wie der Baum aus dem ersten Psalm, der direkt am Wasser gepflanzt ist. Der Baum, der reichlich Frucht bringt zur rechten Zeit und dessen Blätter nicht welken. Wie der Weinstock aus dem Gleichnis Jesu, in dem die Reben in ihm bleiben sollen und er in ihnen bleiben will.
Das einzige, was die Stadt und der Baum oder der Weinstock tun für die Gnade des Lebens, ist zu bleiben an den Wassern oder Brünnlein Gottes. Fein lustig - bleiben. Bleiben – nichts dafür tun. Gott tut. Er tut alles notwendige. Der Clou des ganzen Psalms ist sogar, dass er nicht einmal eine Bitte enthält. Keine Bitte um Errettung. Allein die Anwesenheit Gottes genügt. Dort wo Gott ist, ist alles fein lustig. Das versteht sich von selbst. Nichts Weiteres ist nötig.
III.
Liebe Gemeinde,
lustig zu bleiben im Angesicht des Weltuntergangs ist schon fast spöttisch. Spott über das ungerechte Treiben der Weltmächte. Über Krieg und Ungerechtigkeit, Krankheit und Tod, über die kleinlichen Versuche der Mächtigen, ihren Vorteil auf dem Rücken der Armen und Benachteiligten mit Gewalt durchzusetzen. Es ist die sichere Gewissheit, das Scheitern derer demnächst mit anzusehen, die Unrecht tun. Die sichere Gewissheit der Stärke Gottes, seiner Kraft. Diese Kraft macht die Waffen der Gegner unbrauchbar. Schwerter zu Pflugscharen. Gegen Gott kommen sie nicht an. Er schafft Frieden mit seiner ungeheuren Stärke.
IV.
Gott ist Stärke, liebe Gemeinde.
Das Evangelium von Jesus Christus ist diese Kraft Gottes, lesen wir im Römerbrief (Röm 1,16).
Das Kommen von Jesus, dem Christus und sein Heilshandeln am Kreuz und seine Auferstehung sei diese Kraft. Christus ist gekommen und auferstanden.
Darum hoffen wir. Dadurch währt seine Güte ewiglich (Psalm 136). Seine Gnade ist beständig in fernster Zeit. Dadurch werden wir leben bei Gott. Mehr als nur Leben – Bei Gott leben für fernste Zeit.
Ein feste Burg ist unser Gott. Uneinnehmbar. Ein Bollwerk der Liebe. Für fernste Zeit. „Das Reich muss uns doch bleiben“, singt Luther in seinem Lied: ein feste Burg.
Gott ist unsre Zuversicht und Stärke. Er ist der Silberstreif am Horizont unserer Nacht. Unsere Hilfe am Morgen.
Gott wartet am Horizont
unseres Lebens. …
… und Er ist uns gnädig.
Das ist mir mehr als
Klingeling und Pffft….
Der Clou des Psalms ist aber ein anderer. Der Psalm enthält nicht einmal eine Bitte. Keine Bitte um Errettung, trotz der Katastrophe. Allein die Anwesenheit Gottes genügt. Alles andere findet sich von selbst. Denn dort wo Gott ist, bleibt alles fein lustig. Nichts weiteres muss getan werden. Nichts weiteres kann getan werden.
Das erinnert an Jesu Gleichnis vom Weinstock:
Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun. (Joh 15,5)
Dort wo Gott ist, bleibt alles fein lustig, denn dort wo Gott ist, da ist Freiheit (2Kor 3,17). Das steht so ähnlich auch an unserem Spruchband heute draußen vor der Kirche. Gegenüber hängt ein weiteres Plakat seiner Frau Katharina von Bora. Er nannte sie liebe Käthe.
Übrigens, im gleichen Jahr, ab der Luther die Stelle im Psalm 46 mit fein lustig bleiben übersetzte (1531), wurde ihm ein Sohn geboren.
Er nannte ihn Martin.
Amen.