Abendgottesdienst
mit Pfarrer Johannes Habdank
um 19 Uhr im Katharina von Bora-Haus, Berg
Nachstehend (ggf. "Weiterlesen" anklicken) die Predigt zum Nachlesen.
Im Anschluss daran geselliges Beisammensein mit Menschen aus der katholischen Kirchengemeinde (Bilder hier).
Predigt von Pfarrer Johannes Habdank am 16. November 2022 - Buß- und Bettag -
Lesung des Predigttextes: Offenbarung Johannes 3,14-22
„Dem Engel der Gemeinde in Laodizea schreibe: Das sagt, der Amen heißt, der treue und wahrhaftige Zeuge, der Anfang der Schöpfung Gottes: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist. Ach dass du kalt oder warm wärest! Weil du aber lau bist und weder warm noch kalt, werde ich dich ausspeien aus meinem Munde. Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß. Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst und die Schande deiner Blöße nicht offenbar werde, und Augensalbe, deine Augen zu salben, damit du sehen mögest. Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich. So sei nun eifrig und tue Buße! Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hören wird und die Tür auftun, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir. Wer überwindet, dem will ich geben, mit mir auf meinem Thron zu sitzen, wie auch ich überwunden habe und mich gesetzt habe mit meinem Vater auf seinen Thron. Wer Ohren hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt!“
Mit diesen Worten wird eine Haltung angesprochen, liebe Gemeinde, die wir bis heute kennen und die womöglich zunimmt, je unübersichtlicher die eigene Lage und die Lage der Welt wird: die Haltung der „Lauheit“; eines Weder-Noch, eines kompletten Unentschieden. „Ist mir doch egal …“. Und dann geht man zur Tagesordnung über, zu allein seiner eigenen Tagesordnung. Nicht ein deutlich artikulierter Atheismus oder Agnostizismus oder religiöser Skeptizismus sind der Feind der Religion, des Glaubens und der Kirche, sondern die Gleichgültigkeit. „Egal“ ist das Unwort des Glaubens. Klar, wir können vieles nicht ändern oder gar lösen, wir können es aber betend „in unseren Herzen bewegen“. „Lau sein“ dagegen, wie es biblisch heißt, ist eigentlich „nichts sein“, keine inhaltliche Haltung haben, also weder warm noch kalt sein. Religion dagegen erfordert eine Stellungnahme, die auch aus Anteilnahme bestehen kann. Oft können wir die richtige Haltung nicht kennen, weil wir viel zu wenig wissen. Aber Anteil nehmen können wir. Und beten, dass es besser wird mit der Welt und mit uns. Vielleicht wird uns darin ein Weg klar, den wir dann auch beherzt – alles andere als lau – gehen können.
Der Seher Johannes spricht noch andere drastische Worte in seinem 7. Sendschreiben, es ergeht an die urchristliche Gemeinde in Laodizea (Nähe Pamukkale in der Türkei):
Ihr seid nackt und arm! Ihr wisst es nur noch nicht. Ihr seid zu reich, um wahrhaft reich zu sein. Denn Reichtum macht arm! Nicht immer und nicht alleine, aber was sich scheinbar ausschließt, beinhaltet ein Stück Wahrheit. Im heutigen Predigttext warnt der Seher Johannes im Auftrag des Auferstandenen, der sich ihm in einer Audiovison offenbart, die Gemeinde in Laodizea eben davor. Nun, die Stadt Laodizea war seiner Zeit (um 100 n.Chr.) wohlhabend und hoch angesehen: Handel, Bildung und Bankenwesen florierten. Den meisten Menschen dort ging es richtig gut. Gerade das aber machte die Gemeinde in Laodizea anscheinend träge und bequem. Sie hatten ja auch alles. Warum sollten sie dann etwas ändern?! Der Brief des Sehers Johannes spricht in diese Situation der Zufriedenheit hinein. Mit fundamentalkritischen Worten des Auferstandenen möchte er die Menschen damals aus dieser vermeintlichen Sicherheit wecken. Ihr Reichtum nämlich hat keinen Wert. Ganz im Gegenteil: Er steht ihnen regelrecht im Weg, er hindert sie daran, das Richtige zu tun.
Noch einmal ein Vers aus dem Text: „Du sprichst: Ich bin reich und habe mehr als genug und brauche nichts!, und weißt nicht, dass du elend und jämmerlich bist, arm, blind und bloß“ (Vers 17). Diese Worte trafen sicherlich unvorbereitet den Stolz der reichen Stadt. Sie gingen wahrscheinlich noch tiefer. Wer sich zuvor in Sicherheit wähnte, versorgt und mit sich und der Welt im Reinen, musste jetzt aufhorchen. Du bist vor Gott nackt und arm! Auch wenn du meinst, alles zu haben, du bist arm und unbekleidet. Das deckte sich überhaupt nicht mit der täglichen Erfahrung der meisten Menschen. Was also meinten diese Worte? - Hm!
Doch damit nicht genug. Es kommt gleich noch einmal überraschend und erst einmal unverständlich. Die Menschen sollen kaufen! „Ich rate dir, dass du Gold von mir kaufst, das im Feuer geläutert ist, damit du reich werdest, und weiße Kleider, damit du sie anziehst, […] und Augensalbe, […] damit du sehen mögest“ (Vers 18). Du bist arm und nackt, darum kaufe geläutertes Gold, weiße Kleidung und Augensalbe. Ein sonderbarer Auftrag, komisch …
Geläutertes Gold, weiße Kleidung und Augensalbe, im Auftrag des Auferstandenen? Diese drei Vorschläge hörten die Menschen von Laodizea mit anderen Ohren als wir heute. Die weiße Kleidung spielt auf eine Besonderheit der Stadt an. In Laodizea wuchs Färberkrapp, eine der ältesten Färbe- und Heilpflanzen der Welt, die dazu genutzt wurde, um Kleidung purpur zu färben. Purpur war in erster Linie die Farbe des Kaisers und aufgrund dessen ein Zeichen von wahrem Luxus der Reichen. Weiße Kleidung dagegen war jedem zugänglich, und wie heute ein Zeichen der Reinheit. Nach den Worten des Auferstandenen übertrifft aber gerade die weiße Kleidung die in purpur noch, weil sie ein Zeichen der Verbundenheit mit Gott, der Gotteskindschaft, ist.
Die Augensalbe ließ die Laodizener an ihre medizinische Schule denken. Auch sie trug mit zu ihrem Reichtum bei und brachte der Stadt wissenschaftlichen Ruhm ein. Um Christus sehen zu können, sollen sie aber bei ihm selbst Salbe gegen ihre Blindheit kaufen.
Das Gold wiederum steht noch einmal für den Gegensatz ihres bisherigen (wertlosen) Reichtums und dem vom Auferstandenen empfohlenen: einem geläuterten und somit unzweifelhaft wertvollen Reichtum; einem höheren Gold, das selbst vor Gott Bedeutung hat.
Also kauft! Kauft bei mir, was euch wirklich nützt!
Die Gemeinde in Laodizea hat alle Möglichkeiten, Gutes zu tun und ihren Reichtum sinnvoll einzusetzen. Doch irgendetwas scheint sie zu hindern. Sie tun es offensichtlich nicht. Wie heißt es? „So sei nun eifrig und tue Buße“ (Vers 19b). Wie solch eine Aufforderung in einer reichen und geachteten Gemeinde angekommen ist, wissen wir nicht. Aber der Auferstandene schickt dieser Zurechtweisung einen Hinweis mit. „Welche ich lieb habe, die weise ich zurecht und züchtige ich.“ (19a). Dass die Gemeinde diesen Brief bekommt, liegt eben daran, dass sie geliebt sind und der Auferstandene um ihr Einsehen, ja um sie selbst wirbt. Er lädt sich regelrecht bei ihnen ein. „Siehe, ich stehe vor deiner Tür und klopfe an. Wer mir aufmacht, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten“ (Vers 20). Und mehr noch: Der Auferstandene verspricht allen, die umkehren, mit ihm auf dem Thron zu sitzen. Was für ein Versprechen! Dahinter verschwimmt beinahe die Aufforderung.
Zuvor aber gibt es noch den Hauptvorwurf an die Gemeinde zu überwinden: Ich kenne deine Werke, dass du weder kalt noch warm bist (15). Die Gemeinde ist nach Meinung des Auferstandenen lauwarm. Sie ist also nicht eindeutig, nicht richtig greifbar, nicht Fisch noch Fleisch. Aufgrund dieser Eigenschaft ist sie nicht brauchbar oder, um im Bild zu bleiben: ungenießbar. Sie ist wie ein Glas Wasser, das den Tag über in der Sonne stand, ein lauwarmer Kaffee am Morgen oder ein warmes Cola im Schwimmbad. Nicht begehrenswert. Sie sind wie Menschen, deren Handschlag schlaff ist, die sich bei jeder Entscheidungsfrage irgendwie herauswinden, die nicht mit anpacken und nicht mit-reden wollen. Den Christen der Stadt war ihre Überzeugung vermutlich nicht oder nicht deutlich genug anzumerken. „Ach dass du kalt oder warm wärest!“
Nun, wenn die Menschen dort nicht getaufte Christen gewesen wären, hätten sie diesen Brief nicht bekommen. Sie bezeichneten sich offensichtlich als Christen und waren in christlichen Kreisen bekannt. Noch dazu können wir heute rückblickend vermuten, dass es in dieser Stadt nie zu einer Christenverfolgung kam. Geredet wurde also vielleicht doch recht standhaft und überzeugt. Dann wäre also der kritische Punkt der, dass Glaube an und das Bekenntnis zu Jesus Christus das eine war in Laodizea, danach zu handeln aber das andere. Und wahrscheinlich war es genau das, was den Laodizenern fehlte. Sie machten mit ihrem Glauben nicht ernst. Sie handelten nicht, wie ihre Worte es behaupteten.
„Heuchler“ – könnte man vielleicht sagen. Aber damit bin ich lieber vorsichtig. Mein eigenes Leben zeigt ja auch ähnliche Widersprüche. Ich bin manchmal schneller dabei, etwas zu sagen, als es dann umzusetzen.
Ein Lied vom Kirchenkabarett Duo Camillo trifft voll ins Schwarze, es heißt „Ich bin dafür“:
„Dass wir Hungernden was geben – ich bin dafür.
Dass die Armen besser leben – ich bin dafür.
Dass wir unsre Umwelt retten – ich bin dafür.
Dass die Deutschen nicht verfetten – ich bin, ich bin dafür.
Ich bin dafür, ich bin dafür. Das ist im Leben doch die Kür.
Doch dafür opfern, dafür opfern – will ich nix.
Dass wir Wale nicht mehr jagen – ich bin dafür.
Dass wir Kinder niemals schlagen – ich bin dafür.
Dass wir endlich Frieden schaffen – ich bin dafür.
Dass die Banken nicht mehr raffen – ich bin dafür.
Ich bin dafür, ich bin dafür … Doch dafür zahlen, dafür zahlen – will ich nix.
Dass die Politik sich wandelt – ich bin dafür.
Dass man nicht mit Drogen handelt – ich bin dafür.
Dass wir Nächstenliebe wagen – ich bin dafür.
Dass die Menschen nicht verzagen – ich bin dafür.
Ich liebe Lippenbekenntnisse. Lippenbekenntnisse. Ich bin mental dabei.
Ach, die Lippenbekenntnisse. Lippenbekenntnisse. Da fühlt man sich so frei.
Ich schreibe gern Wahlprogramme – Und heiz am Stammtisch tierisch ein:
„Wir sollten alle mal was ändern!“ – es ist so gut, dafür zu sein.
Dass die Kirche wieder voll wird – ich bin dafür.
Dass der Gottesdienst ganz toll wird – ich bin dafür.
Dass wir diese Welt gestalten – ich bin dafür.
Dass wir fest zusammen halten – ich bin dafür.
Ich bin dafür, ich bin dafür … Doch dafür machen, dafür machen - tu ich nix.“
In diesem Sinne, seien oder werden wir nicht lau, nehmen wir unseren Glauben so ernst, dass er auch Konsequenzen zeitigt für unsere Gemeinden und für die Menschen, die Welt. Ob Aufmerksamkeit, tatkräftige Hilfe, Zeit oder Geld, es gibt so viele Möglichkeiten, mit denen wir wahr werden lassen können - und es ja auch vielfach schon tun –, was der Apostel Paulus in seiner Abschiedsrede in Ephesus der Gemeinde dort gesagt hat, Apg 20,35: „dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen.“
Ja, das macht auch heute noch wahrhaft reich! Gott helfe uns!
Amen.