Performative Gethsemanepredigt am Tag der Einsetzung des Heiligen Abendmahls (Gründonnerstag) von Prädikant Peter Schickel über 1.Korinther 11,17-26 und Lukas 22,39-46
Liebe Gemeinde,
an Gedenktagen geschieht weit mehr als nur ein Denken an das, was damals war. Vielmehr wird das Vergangene neu spürbar und lebendig. Wenn wir heute Brot und Wein miteinander teilen, gedenken wir nicht nur der Einsetzung des Heiligen Abendmahls, sondern Christus selbst ist unter uns gegenwärtig - wie damals bei den Jüngern.
Lied, EG 229, Kommt mit Gaben und Lobgesang
Ein anderer gedenkt auch dem Abendmahl wie es damals war – obwohl er ja gar nicht selbst dabei war - der Apostel Paulus nämlich. Er überliefert uns seine Vision vom Abendmahl, die er vom Herrn empfangen hat, aber auch gleichzeitig die übliche Feierpraxis zu seiner Zeit. Sein Brief gibt uns Einblick in die wahrscheinlich älteste Darstellung der Einsetzungsworte des Abendmahls im Neuen Testament. Was aber die Menschen in Korinth beim Abendmahl tatsächlich gemacht haben, und dass sie sich dabei zum Teil gar nicht grün waren, hören wir in der heutigen Epistel auch. Im Hintergrund des Korintherbriefs will Paulus vor allem die Spaltungen in mehrere christliche Gruppen mit unterschiedlichen Lehrern überwinden.
Aber Vorsicht, es geht da gleich zur Sache. In Korinth war ein Streit ausgebrochen um die richtige Auslegung des Evangeliums, unter anderem auch mit Petrus – den auch Paulus nur schwer schlichten konnte. Paulus erinnert daran, dass man alles, auch das gemeinsame Essen beim Abendmahl und den Gottesdienst mit der Brille der Liebe betrachten solle.
1.Korinther 11,17-26 Vom Abendmahl des Herrn
17 Dies aber gebiete ich euch: Ich kann’s nicht loben, dass ihr nicht zum Besseren, sondern zum Schlechteren zusammenkommt. 18 Zum Ersten höre ich: Wenn ihr in der Gemeinde zusammenkommt, sind Spaltungen unter euch; und zum Teil glaube ich’s. 19 Denn es müssen ja Spaltungen unter euch sein, auf dass die unter euch offenbar werden, die bewährt sind. 20 Wenn ihr nun zusammenkommt, so hält man da nicht das Abendmahl des Herrn[2]. 21 Denn ein jeder nimmt beim Essen sein eigenes Mahl vorweg, und der eine ist hungrig, der andere ist betrunken. 22 Habt ihr denn nicht Häuser, wo ihr essen und trinken könnt? Oder verachtet ihr die Gemeinde Gottes und beschämt die, die nichts haben? Was soll ich euch sagen? Soll ich euch loben? Hierin lobe ich euch nicht.
23 Denn ich habe von dem Herrn empfangen, was ich euch weitergegeben habe: Der Herr Jesus, in der Nacht, da er verraten[3] ward, nahm er das Brot, 24 dankte und brach’s und sprach: Das ist mein Leib für euch;[4] das tut zu meinem Gedächtnis. 25 Desgleichen nahm er auch den Kelch nach dem Mahl und sprach: Dieser Kelch ist der neue Bund[5] in meinem Blut; das tut, sooft ihr daraus trinkt, zu meinem Gedächtnis. 26 Denn sooft ihr von diesem Brot esst und von dem Kelch trinkt, verkündigt ihr den Tod des Herrn, bis er kommt.
Amen.
Heute, am Gründonnerstag feiern wir die Einsetzung des Heiligen Mahles. Jesus schenkt sich selbst in diesem Mahl, damals und heute. In Brot und Wein verbindet er uns mit sich und untereinander. Wo die Liebe wohnt, da wohnt Gott.
Tischabendmahlfeier
Liebe Gemeinde,
ein Tisch steht im Zentrum des Geschehens dieses Abends. Ein großer Tisch. Jesus lädt uns ein, uns zu ihm und seinen Jüngern zu setzen; das Brot mit ihnen zu teilen und einen Schluck Wein zu trinken.
Aber wenn ich diesen Tisch hier betrachte, dann muss ich auch an einen anderen Tisch denken, der immer wieder die Nachrichten¬bilder bestimmt hat. An diesen riesigen weißen Tisch im Kreml. Wladimir Putin sitzt auf der einen Seite und auf der anderen Seite sein jeweiliger „Gast“. Der Abstand zwischen ihnen ist größt¬möglich. Selbst den Bildern kann man die Spannung abspüren, die da wohl in der Luft liegt. Argwohn, Ablehnung und vielleicht auch so etwas wie Spott dem anderen gegenüber prägen die Stimmung.
An manchen Tischen – auch in unseren Esszimmern – herrschen ab und zu auch solche Gefühle vor. Selbst am Tisch, an dem Jesus das Abendmahl mit seinen Jüngern eingenommen hat, ist nicht immer alles eitel Sonnenschein gewesen.
Was sagt Ihnen das heute Abend?
Wie ist das mit der Tischgemeinschaft?
Als Anregung zu einem Tischgespräch könnte Ihnen folgende Episode im Brief an die Galater dienen:
Gal 2,11-21 Petrus hebt die Tischgemeinschaft mit den Heidenchristen auf, weil eine Delegation aus Jerusalem kommt.
Paulus dagegen nennt das: „Heuchelei“ (Vers 13), "weil sie „nicht den rechten Weg wandelten in Übereinstimmung mit der Wahrheit des Evangeliums“ (Vers 14a).
Zum Abschluss unserer Tischgemeinschaft singen wir ein Lied
Komm Herr segne uns, dass wir uns nicht trennen (EG 170)
I.
Das Abendessen Jesu verläuft bisher sehr anders, als Jesus es sich gewünscht hatte. Ja, selbstverständlich wusste er, dass er den Jüngern heute reinen Wein einschenken muss. Aber mit dieser Reaktion hatte er vielleicht nicht gerechnet. „Bin ich´s, der dich verraten wird?“, haben sie ihn einer nach dem Anderen gefragt. Auch Judas! Dann dieses peinlich berührte Schweigen, als klar war, dass Judas derjenige, welcher sein würde. Sicher, ihm war klar gewesen, dass sie entsetzt sein würden, wenn er ihnen sagen würde, dass sein Weg in dieser Welt jetzt zu Ende geht. Das hatte er erwartet. Aber wie erschüttert und verwirrt sie jetzt sind. Mit jedem hat er extra nochmal einzeln geredet. Und all die Fragen und Vorwürfe, mit denen sie ihn bestürmen… Jetzt fühlt er sich einfach nur leer. Ein wenig wie gelähmt. Ohnmächtig und überfordert mit der ganzen Situation.
II.
Wir sehen, wie er den Abendessenstisch hinter sich lässt und einen Ort aufsucht, an dem er auch sonst gerne ist, um Kraft zu tanken und seine Gedanken zu sortieren. Den Garten Gethsemane am Ölberg. Denn er braucht dringend Zeit, um sich zu sammeln. Und seine immer noch sehr verstörte Jünger-Schar und uns nimmt er gleich dorthin mit.
Wir gehen in den Garten beim Katharina von Bora Haus und stellen uns um eine große Feuerschale. Wir lesen das Predigtwort bei Lukas im Garten Gethsemane. Einer der Teilnehmer wird sich dabei von der Gruppe losreißen und wie Jesus unter dem großen Baum knien um zu beten.
Lukas 22,39-46
Und er ging nach seiner Gewohnheit hinaus an den Ölberg. Es folgten ihm aber auch die Jünger. Und als er dahin kam, sprach er zu ihnen: Betet, dass ihr nicht in Anfechtung fallt!
III.
Ich bewundere Jesus dafür, wie er mit dieser Situation umgeht. Ich kann ihm gut nachfühlen, wie leer und überfordert er sich fühlt. Alle wollen was von ihm, ziehen und zerren an ihm. Dabei hat er ja auch sonst schon genug zu verarbeiten. Vor ihm liegt ein schwerer Weg. Das alles ist sehr herausfordernd und bringt selbst Jesus an seine Grenzen. Doch die Art und Weise wie er mit den Geschehnissen dieser Nacht umgeht, zeigt einen Weg auf, wie auch ich solchen Grenzerfahrungen begegnen kann:
Die Situation, die uns Probleme macht, verlassen und an einen vertrauten Ort gehen. Für uns kann das der Wald, die Kirche oder das eigene Bett sein…
Dann: Zur Ruhe kommen und seine Gedanken ordnen – im Gespräch mit einem Vertrauten oder eben durch Beten…
Und das, was uns an seine Grenzen bringt, mit Nachdruck Gott anbefehlen…
IV.
Und Jesus riss sich von ihnen los, etwa einen Steinwurf weit, und kniete nieder, betete und sprach: Vater, willst du, so nimm diesen Kelch von mir; doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!
Wir sehen, dass Jesus jetzt einen Moment ganz für sich braucht. Er zieht sich von uns ein Stück zurück und schüttet Gott sein Herz aus. Und dabei ist er schonungslos ehrlich. Aber in jedem seiner Worte schwingt noch mehr mit: Doch nicht mein, sondern dein Wille geschehe!
Ob ich in so einer Situation auch solch ein großes Gottvertrauen und diese tiefe Zuversicht hätte, die diese Worte von Jesus ausstrahlen? Wenn ich tot krank wäre, würde ich dann beten können: „Vater, wenn Du willst, dann nimm diese Krankheit von mir. Das ist das, was ich mir von ganzem Herzen wünsche, für mich und für die, denen ich wichtig bin. Aber nicht mein Wille geschehe, sondern das was Du willst, auch wenn das meinen Tod bedeuten sollte.“? Wirklich hart! Und ich hoffe wirklich, dass, wenn meine Zeit gekommen ist, ich von Jesus die Kraft bekomme, dem was kommt, mit nur einem winzigen Bruchteil so viel Gottvertrauen und Zuversicht entgegenzugehen, wie er es tut.
V.
Dein Wille geschehe, so betet Jesus. Und ich will einstimmen in sein Gebet und es weiter beten: „Dein Wille geschehe und, Gott, hilf mir auch dabei, Deinen Willen zu akzeptieren. Gerade jetzt: So viele Menschen weltweit starben und sterben durch dieses Virus. Es lässt nicht ganz von uns ab. Und dann dieser unnötige Krieg. Machtspielchen auf Kosten von Menschenleben. Ja, Herr, dein Wille soll geschehe. Lass mich und die ganze Welt dein Handeln sehen. Hilf mir, deinen Willen zu verstehen und gib, dass ich mehr und mehr nach deinem Willen lebe. Dein Wille, er möge geschehen in mir und mit mir und um mich herum.“ So sei es!
VI. Bekannte Herausforderungen, aber neue Perspektive
Und er stand auf von dem Gebet und kam zu seinen Jüngern und fand sie schlafend vor Traurigkeit und sprach zu ihnen: Was schlaft ihr? Steht auf und betet, damit ihr nicht in Anfechtung fallt!
Jesus steht auf und kommt die wenigen Schritte wieder zurück zu uns und seinen Jüngern. Er stellt sich denjenigen, die ihn an seine Grenzen gebracht haben mit ihren Fragen und ihrer Furcht vor der Zukunft. Und er findet sie immer noch traurig vor. Wie er sie da so sieht, mental erschöpft, schlafend vor Traurigkeit, macht er sich große Sorgen: „Was wird werden, wenn ich nicht mehr da bin?“, fragt er sich. Ihm ist klar: Die Herausforderungen bleiben.
Aber in ihm hat sich etwas verändert. Man kann es ihm ansehen. Er wirkt gefestigt und entschlossen. Das Gefühl der Überforderung und der Machtlosigkeit scheint weg zu sein. Eine neue Perspektive hat sich eröffnet: Steht auf und betet! Es geht weiter!
VII. Steht auf und betet!
Liebe Gemeinde, auch unsere Herausforderungen und Probleme, die großen und die kleinen, unsere persönlichen und die, die die ganze Welt beschäftigen… Auch sie bleiben uns am Ende dieses Abends. Aber wir wissen schon heute: Jesus geht seinen Weg weiter. Er geht weiter für uns durch den Tod ins Leben. Durch ihn lässt sich für uns schon jetzt die neue Perspektive erahnen, die Gott für uns und unser Leben im Sinn hat. Ein Leben, das über Leid und Tod siegt.
Ein Leben in Frieden und Freiheit
Ein Leben mit Gott an unserer Seite.
So steht auf und betet! Betet, denn noch ist der Weg weit…
Lasst uns gemeinsam beten:
Jesus Christus,
du Demütiger, du Leidender.
Freund des Lebens.
Du bewirtest
die Schuldigen,
die Gedankenlosen,
die Verletzten,
die Zweifelnden,
die Sehnsüchtigen,
die Glücklichen,
die Liebenden.
Teile du dich selbst aus.
Jesus Christus,
du Brot des Lebens.
Du willst, dass alle satt werden:
die Hungernden in Syrien und im Südsudan,
die entkräfteten Flüchtlinge aus der Ukraine und auf dem Weg nach Europa,
die Obdachlosen, die uns den leeren Becher entgegenstrecken,
die Familien, die von den Tafeln leben,
unsere Kinder, unsere Freunde,
wir selbst.
Fülle die Hungrigen mit dem Brot des Lebens.
Teile du dich selbst aus.
Jesus Christus,
du Kelch des Heils.
Du gibst dich hin
für deine Welt,
für die gequälte Schöpfung,
für die, die zwischen Trümmern und Gefahr leben,
für alle, die nach der Wahrheit suchen,
für alle, die sich selbst preisgeben.
Bringe Versöhnung in diese zerrissene Welt.
Teile du selbst dich aus.
Jesus Christus.
Du feierst mit uns dein Abendmahl,
damit wir Freiheit finden.
Gedenke aller,
die heute das Brot teilen.
Behüte alle, die heute Gott loben und
für die Befreiung aus dem Tod danken.
Beschütze deine Gemeinde.
Segne sie und
teile du selbst dich aus -
auf dich setzen wir unsere Hoffnung,
heute und alle Tage unseres Lebens.
Amen.
Lied: EG 178,9 Kyrie eleison 3x gesungen
Löschen der Feuerschale. Auseinandergehen in Stille