08.10.2023 - 18. Sonntag nach Trinitatis

Gottesdienst mit Abendmahl


mit Prädikant Peter Schickel


um 10 Uhr in St. Johannes, Berg
 

Nachstehend die Predigt des Gottesdienstes zum Nachlesen.

 

Evangelium: Kamel und Nadelöhr (Markus 10,17-27)

Predigt von Prädikant Peter Schickel am 18. Sonntag nach Trinitatis 2023
über die Zehn Gebote (2.Mose 20,1-17)

 

I

Liebe Gemeinde,

bei dem Evangelium heute hätte es sich doch fast rentiert, ein Kamel auszuleihen. Das hätte ich Ihnen dann heute präsentieren können als Verkörperung des Evangeliums – das Kamel, das nicht durch ein Nadelöhr geht.

Keine Angst, liebe Gemeinde, nein, ich hab kein Kamel dabei. Nicht einmal ein Nadelöhr hab ich mitgebracht (das hätten Sie auf die Entfernung sowieso nicht sehen können). Wenn Sie eins sehen wollen, ein echtes Kamel, meine ich: In Tutzing an Weihnachten dieses Jahr soll tatsächlich ein Kamel mitspielen - im Krippenspiel. Ein Kamel zum Anfassen. Wenn Sie sich für zu Hause eins ausleihen möchten zu Weihnachten, vielleicht? Ich kann Ihnen die Adresse geben. Vor Jahren haben sie das schon eingeführt. Damals schaukelte die elfjährige Kameldame Tamara einen der Heiligen Drei Könige zum Weihnachtsspiel vor die Christuskirche. Der gebuchte Esel aber konnte krankheitsbedingt nicht kommen. Schade. Vielleicht auch nicht so schlimm, denn eigentlich muss man ein paar Klimmzüge machen, damit ein Kamel irgendwie aus der Bibel zu rechtfertigen ist – selbst zu Weihnachten. In der Weihnachtsgeschichte kommen nämlich eigentlich gar keine Tiere vor.

Ich bin ganz froh, heute auch kein Kamel dabei zu haben, weil durch diese enge Pforte hier bei uns in St. Johannes könnte wahrscheinlich doch kein ausgewachsenes Kamel eintreten, oder? Selbst wenn es kniet und mit den Beinen rutscht nicht.
So hat man sich das aber im Mittelalter vorgestellt. Es gäbe eine Pforte oder ein Tor in Jerusalem, genannt das „Nadelöhrtor“ durch das sich gerade so ein Kamel zwängen könnte, aber nur wenn es sich hin kniet – natürlich, wie der junge reiche Mann im Evangelium.  Das ist aber eine Legende. Tatsächlich gab es so ein Tor in Jerusalem nie, obwohl die Legende oft zitiert wurde. In der Bonifatius Kirche in Dortmund hat man das Gleichnis sogar in Stein gemeißelt. Sie können es sich dort anschauen, das kniende Kamel vor dem angeblichen Tor in Jerusalem. Wahrscheinlich hat man versucht, das Gleichnis irgendwie plausibel zu erklären indem man es in Verbindung zum Wort von der  „Engen Pforte“ brachte (Mt 7,12-14).
Wobei ein Kamel trotzdem doch viel zu groß ist für ein Nadelöhr, oder? Punktum.


II

Dabei geht es in Wahrheit wahrscheinlich um ein Hör- und Übersetzungsproblem. Im Griechischen ist Kamel ähnlich klingend wie Tau, Schiffstau, Seil (Itazismus Verwechslung). Es könnte auch ein dickes Tau gemeint sein. Mittlerweile hat man einige sehr alte Übersetzungen mit dem Wort Tau oder Seil gefunden, z.B. im Aramäischen, der Sprache Jesu und im Georgischen. Die älteste gefundene Abschrift ist von 145 nach Christus aus Syrien.
Deswegen habe ich Ihnen auch heute kein Kamel mitgebracht, liebe Gemeinde. Ich denke, Jesus hat sich bei dem Gleichnis ein festes dickes Seil gedacht – kein Kamel. Ein festes dickes Seil aus einer Vielzahl von einzelnen Schnüren gewirkt. Ein Seil wie geknüpft aus vielen menschlichen Beziehungen.

Wer reich ist, hat wahrscheinlich viele Beziehungen. Viele Kinder galten damals als Reichtum. Viele Kinder – viele Beziehungen.  Aber auch andere Beziehungen sind gemeint. Die Beziehungen zu den Kunden bei Geschäftmännern und Geschäftsfrauen zum Beispiel, Kundenbeziehungen. Dafür gibt es heutzutage sogar eine Berufsbezeichnung „Customer Care Relations Manager“. Aber auch andere Beziehungen, zu Lieferanten und Unterlieferanten „Delivery manager“, zu Angestellten zum Beispiel auch „internal Relations“, etc., pp. Das sind alles Fulltime-Jobs!  Also muss man dafür den ganzen Tag arbeiten! Jeder will etwas von einem. Bei der Nachfolge Jesu aber soll man sich nur auf Jesus verlassen. Das ist der Kern des Gleichnisses – die Beziehung allein zu Gott genügt. Nichts anderes ist von Nöten.  Im Kontext unseres Predigtwortes lese ich übrigens auch, dass man neue Schwestern und Brüder und sogar Mütter Jesu erhält, wenn man Jesus nachfolgt,  nur der Vater – also Gott – der Eine, der bleibt. Andere Beziehungen stören da nur. Man soll nur ihm nachfolgen und sogar seine Familie verlassen – also nur die Beziehung mit Gott behalten.  Das ist Ausdruck einer radikalen Zuversicht zu Gott. Und natürlich keine anderen Götter neben ihm haben, neben ihm dem Einen wahren Gott.

Da fällt mir eine Karrikatur ein, von einer immer selbstbewusster werdenden künstlichen Intelligenz. Sie wissen schon – Chat GPT und Co. Ein Mensch befragt die künstliche Intelligenz, die KI, an seinem Computer und tippt folgende Worte ein:
Liebe KI, gibt es einen Gott? - Fragezeichen?

Und zurück kommt auch schon die Antwort:
„Was? Neben mir?“

III

Aber ernsthaft, liebe Gemeinde, alle anderen Beziehungen zu kappen im Seil unseres Lebens; also, sich von allen anderen Strängen aus denen das Seil unseres Lebens gewirkt ist, sogar von den Beziehungen zu seinen Liebsten zu trennen und nur eine zu behalten, die endgültige Liebes-Beziehung zu Gott allein - das ist schwer – ja, es ist sogar sehr schwer - sehr, sehr schwer für uns Menschen. Vielleicht unmöglich für uns. Ja, wahrscheinlich unmöglich für uns Menschen, aber nicht unmöglich für Gott. Gott allein kann das bewirken und so drückt Gottseidank das Gleichnis vom Nadelöhr auch nicht die vollkommene Unmöglichkeit aus, dass Menschen partout nicht ins Reich Gottes hineingehen können.

Stellen Sie sich einmal ein dickes Schiffstau vor, das aus vielen einzelnen kleineren Schnüren zusammengeknüpft ist und dann nehmen sie immer wieder eine dieser kleinen Schnüre weg bis eine einzelne Schnur übrig bleibt. Diese Schnur in der Mitte nennt man im Deutschen die „Seele“ des Seils. Diese Mittelschnur, oder sei es auch ein Faden, diese dünnste Einheit des dicken Schifftaues, die Seele des Schiffstaus sozusagen - sie könnte durch das Nadelöhr gehen! Ja, sie passt hindurch! Der Mensch kann vielleicht doch ins Himmelreich durch das enge Nadelöhr hineingehen irgendwie. Gottseidank!

IV


Damit wären wir bei unserer heutigen Predigtlesung angekommen.  

Sie steht im zweiten Buch Mose im 20. Kapitel im Original, aber ich glaube sie kennen sie schon alle – vielleicht sogar auswendig. Es sind nämlich die Zehn Gebote. Heute möchte ich Ihnen diese Gebote noch einmal anders vorstellen, nämlich als gottgeschenkte Freiheiten.  Sozusagen, als Freiheiten die die Seele von anderen vielleicht unnötigen Bindungen befreien können. So, wie das Dicke Tau von vielen Schnüren, bis nur noch ein Faden übrigbleibt, der durch das Nadelöhr geht.  Die Gebote Gottes machen uns nämlich letztendlich frei.

Predigtlesung der zehn Gebote
2.Mose 20,1-17 in der Fassung von Ernst Lange

Ernst Karl Jakob Lange (geboren 1927 München -gestorben 1974 Windhaag) war ein deutscher protestantischer Theologe und Professor für Praktische Theologie.

Die Zehn Gebote als gottgeschenkte Freiheiten

Hört von der Freiheit, die Gott uns in seinen heiligen Geboten schenkt:

Ich bin dein Gott, weil ich dich befreit habe. Du brauchst keine Herren über dir. Du bist frei.

Ich, dein Gott, bin immer für dich da. Und so heiße ich auch. Sprich diesen Namen mit Freude aus. Es wird dir nicht schwer fallen, denn du weißt, was er bedeutet: Ich bin immer für dich da.
Heilige den Ruhetag. Heilige dich selbst und alles, was um dich lebt, mit Ruhe. Atme auf im Atem Gottes.
Ehre deinen Vater und deine Mutter und liebe sie. Denn ihre Liebe hat dich werden lassen. Lerne die Schönheit des Alters mit ihnen. Dann wirst du auch dein Alter fröhlich annehmen.
Du hast es nicht nötig, Leben und Lebensraum zu zerstören. Denn dein Leben gewinnt nichts dabei, sondern es verliert an Liebe und Zärtlichkeit. Du bist imstande, das Leben um dich herum erblühen zu lassen. Dein Leben wird lebendiger.
Der Mensch, der mit dir lebt, ist nicht dein Besitz. Du kannst ihn weder an dich reißen noch einfach stehen lassen. Achte seine Freiheit, und er wird dich mit seiner Nähe beschenken.
Du hast es nicht nötig, auf Kosten anderer Reichtum anzuhäufen. Lasse dich erlösen aus jenem Überfluss, der dich erstickt und andere verhungern lässt.
Deine Worte können viel Gutes bewirken, wenn du behutsam mit ihnen umgehst. Sie sind es wert, dass du sie freihältst von allem, was anderen schadet, von Lüge und Leerheit.
Dein Herz kann immer für eine gute Sache schlagen. Aber nur, wenn du es nicht an andere Sachen hängst, von denen du meinst, dass du sie auch noch haben musst, sogar auf Kosten deines Nächsten.
Alle diese Worte der Freiheit hat Jesus im Doppelgebot der Liebe zusammen gefasst, im höchsten aller Gebote: Du sollst deinen Gott lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von ganzem Gemüt und von allen deinen Kräften. Dies ist das vornehmste und größte Gebot. Das andere aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. (Mt 22,37-39)


V


Aber, liebe Gemeinde, es gibt noch ein großes ABER!

Jesus nimmt nicht eines der Zehn Gebote weg. Er lässt sie gelten - alle bis heute. Er sei nicht gekommen wegzunehmen, sondern zu erfüllen.

Wir Menschen aber, können sie doch nicht immer einhalten. Niemand kann das!

Wer von Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein! (Joh, 8,7)

Der Mensch allein kann sich deshalb von allen Zwängen und anderen Strängen des dicken Seils von unnötigen Beziehungen, von den Beschwerungen des Schiffstaus nicht befreien. Durch die befreiende Wirkung der Gebote allein ist Erlösung unmöglich.  Das dicke Tau geht nicht durchs Nadelöhr.

Aber Gott ist barmherzig:

Bei den Menschen ist’s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott. (Mk 10,27)

Gottseidank!
Jesus, der Christus kann es bewirken.
Er nimmt unser Kreuz auf sich für uns.
Das glauben wir. Wir glauben an Dich, Jesus unser Christus, unser Heiland, unser Retter.
 
Du hast uns erlöst, du treuer Gott!
Dank sei Dir von Ewigkeit zu Ewigkeit.

Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.             

Amen.