25.02.2024 - Sonntag Reminiscere

Flötenensemble Frieder Harz
Bildrechte Ev.-Luth. Kirchengemeinde Berg

Gottesdienst


um 10:00 Uhr im Katharina von Bora-Haus

mit  Prädikant Peter Schickel
und dem Flötenensemble unter Leitung von
Frieder Harz


Nachstehend die Predigt zum Nachlesen.

 

 

Evangelium Johannes 3,14-21
 
Predigt über 4. Mose 21,4-9 am Sonntag Reminiscere 2024 von Prädikant Peter Schickel

I
Prolog im Paradies:

Liebe Gemeinde,

im Paradies zischte die Schlange der verdutzten Urmutter Eva zu: Wenn sie nur die Frucht der Erkenntnis von Gut und Böse pflückte, dann werde der Mensch wie Gott sein.

„nachasch - Der Menschschchh werde wie Gott sssscchein. Ja, bessschtimmt, nachasch!“

Luther übersetzt das hebräische Wort nḥš (sprich nachasch) nicht mit „die Schlange“, sondern mit „der Schlang“ – und personalisiert sie damit als einen ach-so menschlichen Verführer.

nachasch macht der Schlang. nachaschhh.

II

Seit damals hört man sein Zischeln allenthalben auf der Welt. So auch im Lager der Israeliten, nachdem sie es schon fast mit ihrem 40 Jahre währenden Umherirren in das gelobte Land geschafft hatten. Dabei wurde ihnen die Seele kurz. Sie hatten ihren langen Atem verloren.

nachasch macht zu dieser Zeit der Schlang. nachaschhh.

Ich lese dazu unser Predigtwort aus dem 4. Buch Mose im 21. Kapitel immer wieder während der Predigt.

4 Da brachen sie auf von dem Berge Hor in Richtung auf das Schilfmeer, um das Land der Edomiter zu umgehen. Und das Volk wurde verdrossen auf dem Wege 5 und redete wider Gott und wider Mose: Warum habt ihr uns aus Ägypten geführt, dass wir sterben in der Wüste? Denn es ist kein Brot noch Wasser hier, und uns ekelt vor dieser mageren Speise.

Jetzt reichts, Mose! Jetzt reichts uns. Jetzt noch an Umweg. Ja, glangt dir des net scho mit dem unterwegs sein? Endlich amoi da sein und wo hin gehören. Mei wär des schee!
Alles ist besser als diese magere Speise. Die ist ja viel zu leicht für uns. Da! Pfui-Deifi. Wennst ma net gehst, mit deim Manna! (in Anlehnung an einen Münchner Ausspruch).

Und des mit der Freiheit, da kannst da a nix kaufa davo. Da warmaja in Ägypten besser dran. Da hats Fleisch geben. Fleischtöpfe - ganze große Fleischtöpfe. Und sonst wars a net so schlimm. Jedenfalls net so schlimm, wie da wo ma jetzt san, oder? Wüste. Nix als Stoarna überall. Storna wohins schaugst. Stoarna.

nachasch macht der Schlang. nachaschhh.

Und was kannst Du scho Mose? Was kannst  Du scho! Nix! Sonst wären wir ja schon längst im Paradies.

nachaschhh.

Ja, hat des alles nix gebracht. Die Strapazen , die Entbehrungen. Sind wir immer noch nicht angekommen? Nix kannst Du Mose! Nix!
nachaschhh.

So redeten Sie gegen Mose. Aber nicht nur gegen ihn.  

Das ganze Unternehmen steht in Rede.

nachaschhh.

Ich lese aus der Schrift:
Warum hast du uns aus Ägypten ziehn lassen, dass du uns, unsere Kinder und unser Vieh vor Durst sterben lässt? (2. Mose 17,3)

Die heilvolle Befreiung durch Gott steht grundsätzlich in Frage.
Das Ganze steht in Rede – der Ganze.  Gott steht in Rede.
Hat nicht Gott sie durch die lebenslange Reise absichtlich in Gefahr gebracht? Eine Todesgefahr durch Mangel und Wasser?

Und jetzt brennt auch noch das Lager. Feuer überall. Brandstifter.

nachaschhh.
nachaschhh.

III

Dabei hatte Mose zu intervenieren versucht. Früher schon und immer wieder. Aber sie glaubten nicht.

Ich lese aus der Schrift:
29 [Ich] Mose sprach aber [zu euch]: Entsetzt euch nicht und fürchtet euch nicht [vor ihnen]. 30 Der HERR, euer Gott, der vor euch herzieht, wird für euch streiten, ganz so, wie er’s an eurer Seite getan hat in Ägypten vor euren Augen 31 und in der Wüste. Da hast du gesehen, wie dich der HERR, dein Gott, getragen hat, wie ein Mann seinen Sohn trägt, auf dem ganzen Wege, den ihr gewandert seid, bis ihr an diesen Ort kamt. 32 Und trotzdem glaubtet ihr dem HERRN, eurem Gott, nicht, 33 der auf dem Weg vor euch herging, euch die Stätte zu weisen, wo ihr euch lagern solltet, bei Nacht im Feuer, um euch den Weg zu zeigen, den ihr gehen solltet, und bei Tage in der Wolke. (5. Mose 1,29-32)

Aber sie glaubten nicht. Da ließ Gott feurige Schlangen los – giftige Speikobras.

Ich lese aus der Schrift:
6 Da sandte der HERR feurige Schlangen unter das Volk; die bissen das Volk, dass viele aus Israel starben.

Das Gift breitet sich aus:
„Ja, was hat dich denn gebissen? Warum zum Teufel bist du denn auf einmal so bissig.  Du bist ja selbst zum Lindwurm geworden!“, sagt da der Eine.
„Man muss sich halt durchschlängeln im Leben.“, sagt der Schlang.  „Jeder ist sich selbst der nächste, oder? Ja, ja, es ist schon schlimm, dass andere hungern, dass andere im Krieg leben müssen, dass andere fliehen müssen und so weiter etc. pp. Aber dafür hab ich jetzt keine Energie mehr. Das wird man doch noch sagen dürfen, oder?

Und ich hab auch gar keine Lust, mit Euch darüber zu diskutieren! Nein, du kannst mich nicht überzeugen! Du nicht! Lass mich bloß in Ruhe! Lasst mich alle in Ruhe! Ich brauch euch nicht!
Ihr seid für mich gestorben!“

Aber viele erschraken.

Denn, immer kämpfen; immer misstrauisch sein; niemandem glauben - nicht mal Gott, immer das Schlimmste befürchten – das kostet Kraft, das kostet Leben.


IV

Ich lese aus der Schrift:

7 Da kamen sie zu Mose und sprachen: Wir haben gesündigt, dass wir wider den HERRN und wider dich geredet haben. Bitte den HERRN, dass er die Schlangen von uns nehme. Und Mose bat für das Volk. 8 Da sprach der HERR zu Mose: Mache dir eine eherne Schlange und richte sie an einer Stange hoch auf. Wer gebissen ist und sieht sie an, der soll leben. 9 Da machte Mose eine eherne Schlange und richtete sie hoch auf. Und wenn jemanden eine Schlange biss, so sah er die eherne Schlange an und blieb leben.

So wurden die feurigen Schlangen eine Todesgefahr für die Einen,
für die Andern aber, die glaubten und aufschauten, denen konnten sie nichts anhaben und sie gelangten endlich ins gelobte Land.

Ja, liebe Gemeinde, wir brauchen selbst zum Gottvertrauen Gottes Hilfe.

Lasst uns also hinsehen und uns besinnen. Lasst uns Aufsehen zu Gottes Barmherzigkeit und um seine Barmherzigkeit bitten.

Lasst uns beim Miteinander bleiben. Lasst das Gift nicht weiter wirken in uns. Lasst uns aus dieser „Krankheit zum Tode“ (Kierkegaard) den Weg zur Rettung nehmen.
Lasst uns am Leben und beim Leben bleiben.

 

V

Und damit sind wir wieder bei Jesus. Bei dem, dessen Name „Hilfe und Rettung“ bedeutet. Jesus hat den Kern, den Aufpunkt dieser Geschichte nicht an der Schlange festgemacht, nicht am Bild, nicht am Zeichen. Für ihn war das einzig Entscheidende die „Erhöhung“. Jemand oder etwas wird so hoch aufgehängt, dass wirklich alle Menschen die Möglichkeit haben, dorthin zu schauen, das göttliche zu erkennen.

Ob ihnen das hilft, hängt daran, ob sie hinsehen. Ob sie dem Gott glauben, der dieses Zeichen aufgerichtet hat oder hat aufrichten lassen. Ja, liebe Gemeinde, wir brauchen selbst zum Gottvertrauen Gottes Hilfe. Aber Jesus selbst bittet für uns, dass unser Glaube nicht aufhöre.

([…] der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. (Lk 22,31))

Sowohl bei der erhöhten Schlange als auch beim erhöhten Menschensohn verspricht Gott: Wer vertrauensvoll sich diesem zuwendet, wird leben.
Bei der Schlangenstandarte ist das eine zeitlich begrenzte Hilfe. Alle Israeliten mussten irgendwann sterben, wenn auch vielleicht nicht an einem Schlangenbiss.

Beim Mann am Kreuz jedoch werden alle, die ihm vertrauen, über den Tod hinaus leben. Nicht nur für eine gewisse Zeit im Gelobten Land, sondern auf ewig bei Gott. Und insofern hat der Schlang vom Anfang unserer Predigt aus der Paradiesgeschichte doch gewissermaßen recht gehabt mit seiner Prophezeiung an die Eva. Aber nicht wegen eines verbotenen Apfels, sondern dank der Barmherzigkeit Gottes. Der Mensch, der glaubt, wird bei Gott sein – allein durch das Heil, das Jesus Christus uns geschenkt hat.


Liebe Gemeinde, wir sind ja noch am Anfang der Passionszeit in diesem Jahr.
Vielleicht bieten sich in den nächsten Wochen Momente des Innehaltens. Momente, wo wir den Kopf drehen, uns bewusst zum Mann am Kreuz hinwenden, wegschauen von den zerstörerischen Gedanken, Worten oder Taten in uns und um uns herum. Momente, in denen wir uns und unsere Welt vertrauensvoll dem erhöhten Menschensohn ausliefern. Momente, in denen schon ein bisschen das ewige Leben aufblitzen darf, das Jesus all denen verheißen hat, die an ihn glauben. Trotz allem.

Denn wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben. (Joh 3,14)

So sei es.
Amen.