10.03.2024 - Sonntag Laetare

Gottesdienst mit Abendmahl


um 10:00 Uhr im Katharina von Bora-Haus

mit  Prädikant Peter Schickel


Nachstehend die Predigt zum Nachlesen.

 

 

Predigt über Lukas 22, 31-34+54-62 am Sonntag Laetare 2024 von Prädikant Peter Schickel

 

Predigtwort

Jesus spricht:
31 Simon, Simon, siehe, der Satan hat begehrt, euch zu sieben wie den Weizen. 32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dann umkehrst, so stärke deine Brüder. 33 Er aber sprach zu ihm: Herr, ich bin bereit, mit dir ins Gefängnis und in den Tod zu gehen. 34 Er aber sprach: Petrus, ich sage dir: Der Hahn wird heute nicht krähen, ehe du dreimal geleugnet hast, dass du mich kennst.

54 Sie ergriffen ihn aber und führten ihn ab und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von ferne. 55 Da zündeten sie ein Feuer an mitten im Hof und setzten sich zusammen; und Petrus setzte sich mitten unter sie. 56 Da sah ihn eine Magd im Licht sitzen und sah ihn genau an und sprach: Dieser war auch mit ihm. 57 Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht. 58 Und nach einer kleinen Weile sah ihn ein anderer und sprach: Du bist auch einer von denen. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht. 59 Und nach einer Weile, etwa nach einer Stunde, bekräftigte es ein anderer und sprach: Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm; denn er ist auch ein Galiläer. 60 Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und alsbald, während er noch redete, krähte der Hahn.

61 Und der Herr wandte sich und sah Petrus an. Und Petrus gedachte an des Herrn Wort, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe heute der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.62 Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Herr, für Dein Wort sei hoch gepreist.

Predigtgebet

Herr, gib mir Deinen Geist, damit ich nicht sterbe, sondern lebe und Deine Werke verkündige. Amen.

Predigt

62 Und Petrus ging hinaus und weinte bitterlich.

Liebe Gemeinde,
das soll heute ein Predigtwort, sein, das Freude verbreitet – mitten in der Passionszeit!

…und [er] weinte bitterlich.

Zögerlich erahnbare Osterfreude ist die Parole für heute! Zart durchscheinende Osterfreude in all‘ dem Leide. Heute am Sonntag Laetare, dem sogenannten „kleinen Ostern“ in der Mitte der Passionszeit. „Freue dich!“ Was haben sich die Damen und Herren von der Perikopen Revision bloß wieder dabei gedacht, als sie vor sechs Jahren das Proprium zur heutigen Predigt veröffentlichten? Denn, an diesem Sonntag wird dieser Ausschnitt aus dem Lukasevangelium zum ersten Mal verhandelt. Ich denke, ich habe für Sie, so Gott will, hoffentlich eine erstaunliche Wendung der Geschehnisse um den Apostel Petrus in Petto, eine Um-Wendung, eine erneute Aufladung mit Energie und Mut. Vielleicht auch für uns heute hier in diesem Augenblick. Vielleicht können Sie sogar mit Gottes Hilfe etwas davon mit nach Hause nehmen. Wir müssen aber erst einmal zusammen genau hinschauen, wie es dazu kommt.

Der Held des Drehbuchs, Simon, den sie den „Fels“ nennen, also Simon, der „Petrus“, lateinisch der „Fels“ – steinhart, sollte er sein. Er entpuppt sich als wahrer Anti-Held in der ersten Nagelprobe. Er kann nicht mal ein paar Stunden nach der Festnahme Jesu, zu seinem Herrn stehen! Mit so einem laschen Protagonisten könnte man in Hollywood keinen Film drehen, oder? Das wäre ja einer der bei der ersten größeren Schwierigkeit gleich umfällt. Und dabei warnt ihn Jesus noch zuvor standhaft zu sein. Noch bevor der Hahn kräht…

Und dennoch,  das was dem ersten Jünger Petrus widerfahren ist, ist doch allzu menschlich. Seine Geschichte wurde trotzdem zum absoluten Blockbuster. Sein Ruhm reicht bis heute.
Oftmals verfilmt. Achtmal Oskar nominiert. Es gibt viele Filme über das Leben des Apostels Petrus. Kennen Sie z.B. die opulente Monumental-Verfilmung von „Quo Vadis“ aus dem Jahr 1951 mit Peter Ustinov, als Kaiser Nero und mit einem technisch brillant gedrehten Brand von Rom für die damaligen Möglichkeiten und natürlich unvergessen mit Sophia Loren als Sklavin und Elizabeth Taylor als eine der ersten Christinnen?

Wir haben daraufhin damals in meiner Firma eine der ersten Navigationsapps programmiert, die hieß auch QuoVadis – für die Fliegerei und Schifffahrt. Aber das war vor dem Mainstream des Navis im Auto überall.   Manchmal benutzt man sogar heute noch das Wort „Quo vadis“ im Sinne von „Wohin soll das noch alles führen?“, „Wie geht das weiter?“ „Wie soll das weiter gehen?“.
QuoVadis – und genau das hat sich Petrus wahrscheinlich öfters gefragt, denn er hatte ja keine Navigations-App für sein Leben mit Jesus damals. Keinen Zeiger, der ihm die Richtung angeben würde. Die Richtung für sein Leben und die Richtung zu Gott.

Übrigens, auch wir haben bis heute – trotz aller technischen Möglichkeiten - oftmals keine solche Navigations-app für unser Leben. Darin sind wir dem Petrus manchmal erstaunlich ähnlich.  Vielmehr ähnelt auch unser Leben eher einem von Wind und Wellen getriebenen Schiff, das im großen Meer den festen Hafen sucht (Augustinus). Da kann man schon mal fragen: „Herr, wohin geht’s? Herr, wo gehst Du hin?“

Genau wie Petrus in seinem Dialog mit Jesus (aus dem Johannisevangelium, Joh 13,36f). Da fragt er:

„Herr, wo gehst du hin?“

[Und] Jesus antwortete ihm: Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen; aber du wirst mir später folgen. 37 Petrus spricht zu ihm: Herr, warum kann ich dir jetzt nicht folgen? Ich will mein Leben für dich lassen. 38 Jesus antwortete ihm: Du willst dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal verleugnet hast.

… Da tönt er wieder der Hahn. Schrecklich kann so ein Hahnen-Schrei klingen. Aufschreckend. Eindringlich ermahnend.

Dabei war Petrus doch bereit mit seinem Herrn Jesus mit stolz geschwellter Brust überall hinzugehen, sogar ins Gefängnis und in den Tod (Lukas 22,33). Er will ihm nahe sein. Er will ihm immer nahe sein, auch in seiner letzten Stunde. Deshalb schleicht er dem gefangenen Jesus hinterher, vorsichtig, von Ferne.

Er gelangt unerkannt bis in den Innenhof des Hohen Priesters in jener Nacht und setzt sich dort an ein glühend heißes Kohlen-Feuer mit den anderen Umstehenden. Ihm ist klar, er spielt selbst mit dem Feuer, entdeckt und erkannt zu werden und sitzt nun selbst auf glühenden Kohlen, Minute um Minute, fast eine Stunde lang.
Aber damit hat er nicht gerechnet: Er wird auf einmal selbst zum Angeklagten und wird wie beiläufig verhört. Während Jesus drinnen die peinliche Befragung in Wahrheit besteht, wird es für ihn draußen sehr brenzlich. Und unvermittelt wird er von der Seite angesprochen und seine eigene Verhandlung beginnt.

Liebe Gemeinde, die bohrenden Fragen eines Anklägers können einen Menschen bloß stellen. Solche Fragen können mehr über den Gefragten verraten als man selbst zugeben möchte, oder sogar mehr als man selbst von sich weiß. Genau wie in diesem Fall. Die Fragen dieser drei Ankläger offenbaren nicht nur die Bedrängnis und Aufdringlichkeit der Situation mit Penetranz, sondern stellen die Begebenheit in den grundsätzlich größten Zusammenhang. Es geht ums Ganze für Petrus. Es geht um seinen Glauben…

Halten wir einen Augenblick inne und lassen die anklagenden Worte allein auf uns wirken, die uns Lukas von diesem Verhör überliefert. Wenn Sie wollen, schließen Sie gerne die Augen und lassen Sie sich ruhig Zeit zum Nachdenken.

Die erste Magd sprach:
Dieser war auch mit ihm. 57 Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht.

Ich kenne ihn nicht. Ich frage mich, kenne ich ihn, ich meine Gott, überhaupt. War ich schon bei ihm? Wie kann ich ihn kennen? Wohin soll das noch alles führen? Quo vadis, Domine?

Ein anderer Zweiter sprach:
Du bist auch einer von denen. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin’s nicht.

Ich bin’s nicht. Bin ich etwa auch einer, der Dich verrät? Bin ich’s auch? Wie kann ich ein Verräter an Gott sein? Wie geht das weiter?
Quo vadis, Domine?

Wieder ein anderer Dritter bekräftigte:
Wahrhaftig, dieser war auch mit ihm;

60 Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst.

Ich weiß nicht. Wie kann ich irgendetwas über Gott wissen? Was kann ich überhaupt von Gott wissen? Wohin gehst du, Herr?
Quo vadis, Domine?

Und alsbald, […] krähte der Hahn.

Auch wenn ein Mensch aufhört, sich nahe zu Gott zu verhalten und Gott nur von Ferne folgt, wie Petrus in dieser Nacht und wenn er dann kraftlos am Ende seiner eigenen Möglichkeiten ist. Auch dann verbindet sich Gott weiterhin mit ihm. Auch in der tiefsten Gottesferne fallen wir nicht in die namenlose Tiefe. Wir fallen in Gottes Hand.

Und Gottseidank folgt dann der nächste Satz im Bericht von Lukas, dem Chronisten der Ereignisse
Lukas 22,61:
61 Und der Herr wandte sich und sah Petrus an.

Der Herr sah Petrus an. Der Herr sieht mich!
Der Herr sieht mich an.

Ich denke, es war kein tadelnder Blick von Jesus, sondern ein Blick voller Gnade und Erbarmen. Eine gnädige Zuwendung, eine Zu-Mutung Gottes.

Welche Sensation. Petrus sieht das „Angesicht Gottes“ - Gottes Gegenwart in diesem Augenblick – seine Nähe. Er ist mir nah. Gott ist mir nah.
Nur das was im Licht ist, kann gesehen werden. Im Lichte des Angesichts Gottes ist Leben! (nach Sprüche 16,15). Gott erhebt sein Angesicht auf Petrus und gewährt damit bleibende Vergebung und Gnade.  

Der Herr sieht mich! Wie ein Segen fühlt sich das an. Welch ein Segen in der größten Bedrängnis.

Durch seinen Blick bringt Jesus seine Zuwendung und sein Wohlwollen zum Ausdruck. All dieser Segen geht von ihm aus. Segen geht immer von Gott aus.

Er ist mir gnädig. Er nimmt mich an, trotz meiner Verfehlungen und Sünden. Einmal, zweimal, dreimal und immer wieder. Bei jedem Hahnenschrei immer wieder und wieder.
Und Simon Petrus erinnert sich an Jesu Worte:

31 Simon, Simon, […]

(Joh 13,36) Wo ich hingehe, kannst du mir jetzt nicht folgen;

32 Ich aber habe für dich gebeten, dass dein Glaube nicht aufhöre. Und wenn du dann umkehrst, so stärke deine Brüder.

Gottes Segen ist eine Zu-Mutung für Petrus. Eine göttliche Zuwendung, die Mut gibt und die die Um-Wendung bringt.
Jesus segnet selbst die, die ihn verfluchen und bittet für die, die ihn beleidigen, schreibt Lukas sinngemäß (siehe Lk 6,28).  Von so viel unverdienter Gnade und Güte überwältigt, weint Petrus schließlich bitterlich.

Und Jesu Segen spendet Frieden, nicht nur für Petrus, sondern für uns alle. Gottes Frieden bringt neuen Mut und Stärke. Soviel Stärke, dass Petrus später sogar seine Brüder bestärken kann. Später, nach Ostern und Pfingsten, werden sie (wie im heutigen Leitvers zu Psalm 84) singen können: „Freuet euch mit Jerusalem und seid fröhlich über sie alle, die ihr sie liebhabt! Siehe, ich breite aus bei ihr den Frieden wie einen Strom.“

Liebe Gemeinde,
wir brauchen, wenn uns die Vertrauensfrage gestellt wird, Gottes Hilfe! Das musste selbst Petrus schmerzlich lernen. Wir können nicht aus uns selbst den festen Halt des Friedens finden. Wir brauchen eine göttliche Zu-Wendung – eine Zu-Mutung.

Den Menschen ohne Schuld und Fehler gibt es nicht und doch fällt schon ein Funke des Osterlichts auf diese Szene menschlicher Abgründe im Innenhof des Gefängnisses. »Ich bin bei euch alle Tage« wird der Auferstandene seinen verschreckten Jüngern sagen – und Petrus erfährt es schon hier als Erster, in der Nacht vor der Kreuzigung, in der Nacht seiner Verfehlung. Vielleicht hat ihn schon ein Abglanz von dem neuen Geist Jesu erreicht, der an Pfingsten herausbrechen wird und die ganze Welt verändert.  Der Auferstandene gibt ihm eine neue Chance. Nur deshalb werden die anderen Jünger später sagen können, noch verängstigt und verzagt und noch voller zweifelnder Überraschung (Lukas 24,34): „Der Herr ist wahrhaftig auferstanden und dem Simon erschienen.“

Gott mutet uns einiges zu, liebe Gemeinde.

Er mutet Petrus zu, trotz dieser dunklen Seite, gegen alles Zaudern, Zögern und auch Zweifeln, dass er der Felsen bleibt, der, der die Brüder im Glauben stärken wird.  

Aber nur auf Grund dieser Zu-Mutung und des Segen des Herrn und des Heiligen Geistes Jesu können wir sagen:

38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn. (Paulus, Römerbrief 8,38f)

Amen.