Predigt am 7. Sonntag nach Trinitatis 2024 von Prädikant Peter Schickel
Predigttext: Apg 8, 26-39
26 Aber der Engel des Herrn redete zu Philippus und sprach: Steh auf und geh nach Süden auf die Straße, die von Jerusalem nach Gaza hinabführt und öde ist. 27 Und er stand auf und ging hin. Und siehe, ein Mann aus Äthiopien, ein Kämmerer und Mächtiger am Hof der Kandake, der Königin von Äthiopien, ihr Schatzmeister, war nach Jerusalem gekommen, um anzubeten. 28 Nun zog er wieder heim und saß auf seinem Wagen und las den Propheten Jesaja. 29 Der Geist aber sprach zu Philippus: Geh hin und halte dich zu diesem Wagen! 30 Da lief Philippus hin und hörte, dass er den Propheten Jesaja las, und fragte: Verstehst du auch, was du liest? 31 Er aber sprach: Wie kann ich, wenn mich nicht jemand anleitet? Und er bat Philippus, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen. 32 Die Stelle aber der Schrift, die er las, war diese: »Wie ein Schaf, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Lamm, das vor seinem Scherer verstummt, so tut er seinen Mund nicht auf. 33 In seiner Erniedrigung wurde sein Urteil aufgehoben. Wer kann seine Nachkommen aufzählen? Denn sein Leben wird von der Erde weggenommen.« 34 Da antwortete der Kämmerer dem Philippus und sprach: Ich bitte dich, von wem redet der Prophet das, von sich selber oder von jemand anderem? 35 Philippus aber tat seinen Mund auf und fing mit diesem Schriftwort an und predigte ihm das Evangelium von Jesus. 36-37 Und als sie auf der Straße dahinfuhren, kamen sie an ein Wasser. Da sprach der Kämmerer: Siehe, da ist Wasser; was hindert’s, dass ich mich taufen lasse? 38 Und er ließ den Wagen halten und beide stiegen in das Wasser hinab, Philippus und der Kämmerer, und er taufte ihn. 39 Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus und der Kämmerer sah ihn nicht mehr; er zog aber seine Straße fröhlich.
Predigt über die Taufe des Kämmerers aus Äthiopien
Gnade sei mit Euch und Friede,
von dem, der da ist
und der da war
und der da kommt.
“Dal momento del mio battesimo, Gesù è sempre stato accanto a me (sia nelle difficoltà sia nelle gioie), anche se non lo vedo. Mi aiuta a superare momenti più difficili in cui non sembra esserci speranza. Egli è una luce che non si spegne mai. Pregando e facendo la messa, mi dà suggerimenti utili per la vita.”
Keine Angst, liebe Gemeinde, das wird keine Predigt in Italienisch. Hier kommt schon die Übersetzung:
Vom Augenblick meiner Taufe an, war mir Jesus immer nahe (sowohl in den Schwierigkeiten als auch in den Freuden), auch wenn ich ihn nicht sehe. Er hilft mir, schwierigere Momente zu überwinden, in denen es keine Hoffnung zu geben scheint. Er ist ein Licht, das nie erlischt. Im Gebet und im Gottesdienst gibt er mir nützliche Anregungen für das Leben.
Das, liebe Gemeinde, diese Worte hat mir kürzlich unser italienischer Täufling Ambra geschrieben. Letztes Jahr ist die junge Dame hier bei uns in Berg im Ostergottesdienst getauft worden. Der Name Ambra ist in der ganzen Mailänder Gegend bis nach Bergamo und darüber hinaus, wo sie mit Ihrer Familie wohnt, ein recht häufiger Name. Das liegt an ihrem berühmten Namensvetter Ambrosius von Mailand, Sant‘Ambrogio oder der Ambrös, wie er im Dialekt heißt - den kennt dort jedes Kind. Wir halten mit der ganzen Familie einen losen freundschaftlichen Kontakt, soweit das über die Entfernung möglich ist und besuchen uns gegenseitig immer mal wieder in den Ferien. Da ich wusste, dass Ambra oft in die Kirche geht, wollte ich mehr über ihre Erlebnisse als relativ frisch getaufte Christin in Italien wissen, sozusagen als O-Ton Ambra. Und dann kam dieser Brief zurück. Enorm finde ich das, was sie da schreibt. In einer eher theologischen Sprache auf den Punkt gebracht könnte man es etwa so zusammenfassen:
„Seit der Taufe ist Jesus immer da bei mir - immer - ob ich traurig bin oder fröhlich. Er hilft mir, wenn ich nicht mehr weiter weiß. Sein Licht erleuchtet mich und zeigt mir stets den rechten Weg. Im Gebet gibt er mir gute Ratschläge für mein Leben.“
Wow, liebe Gemeinde. Vielleicht muss man sich um den Heiligen Geist bei der Jugend heutzutage doch nicht so viele Sorgen machen! Mit dem Heiligen Geist verhält es sich nämlich so: Der Heilige Geist kam schon früher uneingeladen vorbei, kommt heute noch, wann er will und wird weiter kommen auch in Zukunft, egal ob wir etwas dafür tun oder nicht. Und er weht auch, wo er will, ganz über alle Grenzen hinweg, seien es Sprachbarrieren, Landesgrenzen oder andere menschengemachte Befindlichkeiten, die uns voneinander trennen können und auch von Gott. Davon gibt es heutzutage ja anscheinend immer mehr. Aber es gibt auch Hoffnung und sie liegt im Glauben. Denn ich denke mir, dass der Kämmerer in unserem Predigtwort nach seiner Taufe in einer guten Stimmung war, so wie Ambra auf ihrer Rückreise nach Italien. Denn es heißt: „fröhlich zog er seine Straße.“ Voll Freude und gestärkt. Dabei war die lange Tour sicher beschwerlich für den hohen, mächtigen und in seinem Heimatland respektierten Finanzbeamten gewesen. Man könnte ihn heute als einen aufgeschlossenen Religions-Touristen bezeichnen - auf der Suche nach der lebensverändernden Begegnung mit Gott. In Jerusalem angekommen allerdings wurde der weltgewandte und weitgereiste Hohe Herr Kämmerer als Ausländer ausgegrenzt - obwohl reich und gebildet. Er durfte nicht in den Tempel hinein und musste nach seinem 4.000 km Höllen-Trip von Äthiopien zum Allerheiligsten in Jerusalem unverrichteter Dinge und sicher enttäuscht wieder umkehren.
Nein, noch etwas anderes haftete ihm an. Er war nicht mehr „ganz“. Er war ver-schnitten, verstümmelt worden. Sie wissen schon. Luther übersetzt seinen Status mit „Kämmerer“, im griechischen Original steht da aber „Eunuch“. Als solcher konnte er keine Kinder mehr bekommen und damit keine Erben - wahrscheinlich eine vorsorgliche Vorsichtsmaßname bei jemandem der den Schatz der Königin verwaltete. Er war dadurch aber- nach damaligem Verständnis - von allen religiösen Ämtern und vom Kult selbst ausgeschlossen (vgl. Dtn 23,1).
Umso erstaunlicher ist seine Begegnung auf der Rückreise mit Philippus. Dabei muss Gott seine Hand im Spiel gehabt haben. Martin Buber, der jüdische Religionsphilosoph und hebräische Bibelübersetzter hat den Satz geprägt: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“
Man könne die Wirklichkeit - auch die Wirklichkeit Gottes - nicht erklären, sie müsse einem gezeigt werden, denn sie sei nicht in Worte zu fassen. Sie ereigne sich in einer „Ich-Du-Beziehung“. Und dieses wahre Du sei nur unmittelbar erfahrbar. Ihr Anfang sei die Begegnung. Gott sei das wahre Du des Lebens.
Buber fragt:
„Wie kannst Du so unbefangen „Gott“ sagen?
Die Menschen zeichnen Fratzen und nennen sie Gott… Wenn sie aber Gott gegenüberstehen und „Du“ sagen, nicht mehr „Er“, dann ist es der wirkliche, eine Gott. Gott ist das wahre Du des Lebens.“
Und wirklich! Etwas Entscheidendes verwirklicht sich bei dem Treffen der zwei unterschiedlichen Männer in der Mittagshitze und der Ödnis der Wüste tatsächlich! Auf einmal ist da eine kühlende Quelle sprudelnd und übervoll von lebendigem Wasser und der zugereiste Fremde weiß von da an genau wo‘s lang geht! „Was hindert’s, dass ich mich taufen lasse?“ (Apg 8,37).
Dabei ist von nun an gar nicht mehr klar, wer hier wen belehrt. Philippus den Kämmerer oder umgekehrt. So ist es, wenn sich das wahre Du in einer Begegnung ereignet. Das „Du“ wird dann zum „Wir“.
Ein wesenhaftes Du, wird zum wesenhaften „Wir“ .
Ein wesenhaftes Du, wird zum wesenhaften „Wir“ der Gemeinschaft.
Zum wesenhaften „Wir“ der Gemeinschaft als Ausdruck der überströmenden Sehnsucht nach dem ganzen Leben.
Und kurz darauf dann auf einmal Puff, Zack! Philippus, sein von Gott zugewiesener „Begegner“, der ihm das Fenster zum christlichen Verständnis der frohen Botschaft aufgestoßen hatte - der Botschaft vom Lamm Gottes, das sich für uns alle hingegeben hat und dem geschundenen Gottesknecht, der so viele Nachkommen haben wird, obwohl sein Leben weggenommen wird von der Erde. (Luther merkt hier übrigens als Randnotiz an: Er regiert ewiglich.)
Dieser Glaubenswegweiser Philippus - einer der ersten Diakone der Christenheit - dieser Glaubensbegegner, der dem wissbegierigen Beamten, den neuen Weg zum Lesen der Bibel gezeigt hat – ja, dieser Glaubensheld, er wurde einfach nach getaner Arbeit plötzlich hinweg-entrückt. Puff, Zack! Weg war er von jetzt auf gleich. Entrückt, wie zuvor der Prophet Elia und der auferstandene Jesus selbst bei seiner geheimnisvollen Begegnung mit den zwei Jüngern in Emmaus.
Liebe Gemeinde, man muss loslassen können, denke ich mir da und vertrauen haben auf den, der uns immer begleitet. Er wird’s schon richten.
Denn der Lehrer Philippus wird nach dem Ereignis des Glaubens, ab diesem Zeitpunkt als Wegweiser zum Glauben, als Begegner, schon gar nicht mehr gebraucht. Der getaufte Mensch ist nach der Begegnung sozusagen selbst unterwegs mit Gott, denn er hat einen neuen Freund und Ratgeber für sein eigenes Wesen gewonnen - Jesus, den Christus, den Wunderrat und Friedefürst (Jes 9,5), den einen himmlischen Ratgeber, den einen Schlüssel zum Verständnis der frohen Botschaft, das eine Eintrittsticket zur Gemeinschaft mit Gott.
Und das lässt hoffen, liebe Gemeinde. Für uns und unsere Welt, damals, heute und in Zukunft.
Denn Jesus Christus verspricht uns im heutigen Evangelium:
Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende. (Mt 28,20)
P.S.:
… und wenn Sie wissen wollen, was da für „nützliche Ratschläge für das Leben“, zu der evangelischen Ambra nach Italien gelangen… Das wird nicht verraten! Fragen Sie sie doch selbst bei der nächsten Begegnung hier in Berg, oder in Brescia, Bergamo oder anderswo. Oder vertrauen Sie doch ganz auf Ihre eigene göttliche Eingebung.
Amen.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.
Amen.