Livestream-Video vom Gottesdienst
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Gottesdienst zum Reformationsfest 2021
Lesung: Römer 3,21-28
Predigt
Sprecher A (Frieder Harz = FH)
Liebe Gemeinde!
Martin Luther wurde im Frühjahr 1521 auf dem Reichstag in Worms vom Kaiser aufgefordert, seine Ablehnung so vieler kirchlicher Lehren zu widerrufen. Von ihm sind als Antwort diese Worte überliefert: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders. Gott helfe mir. Amen“. Solcher Mut machte großen Eindruck und förderte das Bild eines starken Glaubenshelden, wie der dann auch in Bildern verewigt und in Metall der Denkmäler gegossen wurde.
Sprecher B (Peter Schickel = PS)
Aber das ist doch nur die eine Seite des Reformators. Am Abend vor der entscheidenden Verhandlung im Reichstag suchte ihn der päpstliche Legat in seiner Herberge auf und stellte ihn zur Rede: „Wie kommst du, einzelner Mönch, dazu, das als unglaubwürdig beiseite zu schieben, was in tausend Jahren unzählige kluge christliche Denker erarbeitet haben? Das ist selbstherrlich und hochmütig. Du machst dein Ich zu einer Größe, die ihm nie und nimmer zusteht!“ Diesen Einwand kann man doch nicht so einfach wegwischen.
Sprecher A (FH)
Als Antwort stellte Luther Entscheidendes richtig: „Dieses Ich ist nicht in mir selbst begründet, sondern allein in der Heiligen Schrift, dem Wort Gottes. An seinen Aussagen lasse ich mich gerne messen. Sie ist die entscheidende Quelle unseres Glaubens.
Sprecher B (PS)
Martin Luther konnte das mit seiner überaus gründlichen Bibelkenntnis so überzeugend sagen. Wie aber ist es mit den vielen anderen im Lande, die kein Latein konnten und nicht in der Lage waren, aus der Bibel heraus ihren eigenen Glaubensstandpunkt zu begründen? Da tat sich doch eine große Kluft auf, da war noch sehr viel zu tun.
Sprecher A (FH)
In der Tat. Ein zentrales Ziel der Reformation war es deshalb, möglichst vielen einen Zugang zur Bibel zu erschließen. Der entscheidende Anstoß dazu geschah im Verlauf des Jahres 1521.
Durch seine Ächtung auf dem Reichstag schwebte Luther in Lebensgefahr. Mit einem fingierten Überfall zog Kurfürst Friedrich seinen Schützling aus dem Verkehr, also gewissermaßen in Quarantäne. Er ließ ihn inkognito als einen jungen Adligen auf der Wartburg bei Eisenach in Sicherheit bringen. Dort lebte er ein knappes Jahr, vom Mai 1521 bis März 1522. Dort könnte sich vielleicht das folgende Gespräch mit dem Burgvogt zugetragen haben.
Der Burgvogt tritt ein:
Sprecher C: Burgvogt (Florian Gehlen = FG)
„Wie geht es Euch, Martinus? Wie kommt Ihr zurecht mit dem von Euch ungeplanten und ungewohnten Aufenthalt hier auf unserer Burg?
Sprecher B: Luther (PS)
„Ich bin dankbar für die Sicherheit, die ich hier habe und für die Zeit zum Arbeiten an meinen Schriften. Aber tausendmal lieber wäre ich unterwegs im Land, in den Städten und Dörfern, um selbst zu predigen. Ich würde viel lieber den Menschen in ihren Sorgen beistehen und sie bei wichtigen Entscheidungen beraten. Stattdessen bin ich hier oben auf der Burg im Reich der Vögel wie ein Singvogel in einem goldenen Käfig. Diese Wartburg ist wirklich eine Burg des Wartens für mich“
Burgvogt (FG)
Aber vergesst nicht: Mit Euren Schriften erreicht ihr oft mehr als in den persönlichen Begegnungen. Sie verbreiten Eure Gedanken im ganzen Land. Ihr habt eine so kraftvolle und klare Sprache, schreibt nicht nur lateinisch, sondern auch deutsch, das immer mehr im Lande lesen können. Aber das entscheidende Buch fehlt noch: die Bibel selbst!“. Alles, was Ihr schreibt, mündet doch immer bei der Heiligen Schrift!“ Ihr seid in der Bibel zu Hause, habt Euch fast zu jedem Satz schon viele Gedanken gemacht. Ihr kennt sie wie kaum ein anderer. Ihr spürt genau, worum es in jedem einzelnen Satz geht und könnt das treffend zum Ausdruck bringen. Nutzt doch die Zeit hierfür!“.
Sprecher A (FH)
Das leuchtet Martin ein, und er macht sich an die Arbeit. Das griechische Neue Testament liegt auf seinem Tisch auf der linken Seite und auf der rechten füllt er Blatt für Blatt mit der Übersetzung ins Deutsche. Der Burgvogt schaut immer wieder mal vorbei und freut sich mit, dass Martin so gut vorankommt. Er sucht gerne das Gespräch mit ihm und nimmt aufmerksam Anteil am Fortgang der Übersetzung. Und so sitzt er auch jetzt wieder bei ihm.
Luther (PS)
„Jetzt bin ich schon beim Lukasevangelium. Ich übersetze gerade, wie der Engel zu Maria kommt und ihr sagt, dass sie Jesus zur Welt bringen wird. Er begrüßt sie so.“
(Der Burgvogt unterbricht ihn):
Burgvogt (FG)
Gegrüßet seist du, Maria voll der Gnaden. So kenne ich es seit meiner Kindheit. Wollt Ihr das so lassen?“
Luther (PS)
„Nein, voll mit etwas ist ein Fass, aber kein Mensch. Wie kann man denn mit Gnade vollgefüllt sein? Neulich, als ich heimlich in Eisenach war, da hat ein Mann seine Frau ganz herzlich begrüßt: ‚Meine Holde, ich freue mich, dass du wieder da bist!‘ Und liebevoll hat sicher auch der Engel Maria begrüßt, deshalb schreibe ich so: ‚Gegrüßet seist du, du Holdselige!‘ Sie soll doch spüren, dass es Gott gut mit ihr meint, dass er sie für etwas ganz Großes ausersehen hat.“
Burgvogt (FG)
„So viele Gedanken macht Ihr euch also!“
Luther (PS)
„Ja, beim Übersetzen muss man nicht nur genau auf die Wörter in der griechischen Schrift achten, sondern genauso dem Volk aufs Maul schauen. Ich habe noch ein Beispiel: Im Lukasevangelium sagt Jesus im Kapitel 6, Vers 45 – ich lese es Euch zuerst auf lateinisch aus der Vulgata vor, Ihr könnt ja Latein: ‚ex abundantia cordis os loquitur‘“
Burgvogt (FG)
Das heißt auf deutsch: „Aus dem Überfluss des Herzens spricht der Mund“
Luther (PS)
„Findet Ihr das gut verständlich? Hier finde ich das Wort ‚voll‘ genau richtig. Wenn einem das Herz so voll ist, dass man gleich platzen könnte, dann muss das zum Mund hinaus, dann muss man davon reden oder singen. Da passt das Bild von einem vollen Fass, das überläuft, ganz gut. Wenn einem das Herz voll ist, dem läuft der Mund über, dem sprudelt es nur so aus dem Mund heraus. Deshalb schreibe ich: ‚Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über“.
Sprecher A (FH)
Im September, also genau vor 500 Jahren, war die Übersetzung des Neuen Testaments geschafft. Und in Wittenberg, Nürnberg, Augsburg, Basel, Straßburg – den damaligen Medienzentren – waren die Drucker emsig bei der Arbeit.
Sprecher B (PS)
Kehren wir zurück in unsere Gegenwart: Aber die Bibel lesen und ihren Sinn gut verstehen können, das ist doch noch zweierlei.
Jahrhunderte lang, ja bis in unsere Gegenwart hinein, lehnten Menschen mit der buchstäblichen Orientierung an den Schöpfungsberichten des Alten Testaments naturwissenschaftliche Erkenntnisse zur Weltentstehung ab. Und sogar in der Bibel selbst gibt es widersprüchliche Aussagen. Luthers entscheidende Einsicht fand er mit den Worten des Apostels Paulus im Römerbrief: Allein der Glaube ist es, der uns Gottes Anerkennung schenkt, nicht unsere ethischen Leistungen zählen. Aber im Jakobusbrief kann man das Gegenteil lesen: Der Glaube wird nur durch die guten Werke vollkommen. Ist die Bibel mit all den Verästelungen ihrer Formulierungen, auch mit ihren Widersprüchen und möglichen Missverständnissen nicht viel zu kompliziert, um sie wirklich gut verstehen zu können?
Sprecher A (FH)
Luther hat seine Orientierung an Paulus klar benannt und den Jakobusbrief etwas abschätzig eine „stroherne Epistel“ genannt. Er hat damit zugleich eine Bibelkritik angestoßen, die seither durch die Jahrhunderte hindurch unter dem Leitmotto „Gotteswort im Menschenwort“ die Autoren der biblischen Schriften ins Blickfeld gerückt hat: mit der Zeit, in der sie lebten, mit den Herausforderungen, in denen die Gemeinden damals zu kämpfen hatten und mit den in dieser Zeit an sie gerichteten Glaubensbotschaften. Das ist das Feld der Bibelwissenschaften. Dazu gehört etwa auch die Klärung, dass die biblischen Schöpfungsgeschichten mit dem Lob des Schöpfers eine ganz andere Zielrichtung haben als die Naturwissenschaften und deshalb kein Konkurrenzverhältnis bestehen muss, oder dass Jakobus in seinem Brief einen anderen Aspekt des gelebten Glaubens eine andere Herausforderung in seinen christlichen Gemeinden im Blick hatte als Paulus.
Sprecher B (PS)
Aber das beantwortet meine Frage noch nicht. Denn da gibt es ja auch wieder so viel zu bedenken.
Sprecher A (FH)
Luther hat zugleich aber auch einen einfachen, elementaren Maßstab für das Verständnis der Bibel gesetzt: Was tragen die einzelnen biblischen Texte zur Verkündigung von Gottes Froher Botschaft, dem „eu-angelion“ bei?
Er hat dazu angeleitet, in den Bibelworten die uns von Gott geschenkte heilvolle Beziehung zu ihm aufzufinden, den Glauben als Vertrauen auf Gottes Begleitung und Segen. In diesem Sinne hat man etwa auch Jesu Gleichnis vom verlorenen und freundlich wieder aufgenommenen Sohn, ja die Gleichnisse überhaupt die Mitte des Evangeliums genannt - oder auch den Zusammenhang von empfangener und weiterzugebender Liebe im sogenannten Doppelgebot der Liebe den Kern von Jesu Wegweisung, oder in dem heilenden Zuspruch Jesu die zentrale Botschaft, dass das Leben neu beginnen kann. Solche Mitte soll auf den Glauben und das Leben ausstrahlen.
Sprecher B (PS)
Verstehe ich dich recht: auch jenseits umfangreicher Bibelkenntnis kann jeder Leser, jede Leserin mit der Brille der heilbringenden Botschaften Gottes die Bibelworte verstehen?
Sprecher A (FH)
Genauso ist es. Auch das ist „Gotteswort im Menschenwort“, nämlich die unzähligen Worte der Bibel mit ihren unterschiedlichen Verfassern im Licht dieser Orientierung an Jesu aufrichtender Botschaft zu lesen und zu verstehen, mit dem Bekenntnis zu dem Gott, der uns hält und trägt, auch in all dem, was uns bedrängt. Darum geht es auch, wenn wir beim Apostel Paulus lesen: „Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig. Manchmal tut sich diese Mitte überraschend auf, springt einen geradezu an, manchmal schickt uns ein Bibeltext auch die Aufgabe, sie geduldig zu suchen und zu finden.
Sprecher B (PS)
Dann ist die Bibel ja wie eine Goldgrube, in der einem manchmal gleich Goldkörner entgegenleuchten und man manchmal graben und suchen muss. Aber suchen und finden können wir alle. Übrigens gibt es Handwerkszeug dazu reichlich in Gesprächsangeboten und Büchern.
Sprecher A (FH)
Gottes Geist wirkt zum einen in dem akribischen und kritischen Erschließen der biblischen Texte - als Sache der Theologen, aber zum anderen als Sache für jede und jeden, wenn uns Bibeltexte unmittelbar ansprechen, berühren und begleiten - gemäß dem Leitsatz, dass Bibeltexte aus sich selbst heraus die Lesenden und Hörenden erreichen können - und Bibelworte so zu Lebensbegleitern werden. Und gerade da – damit sind wir wieder bei Luther auf der Wartburg – hat sich Luthers zupackende Sprache durch die Jahrhunderte hindurch bewährt
Und jetzt wird das ganz praktisch:
Personen unserer Gemeinde haben sich Gedanken dazu gemacht, wo und wie ihnen Bibelworte zu Lebensbegleitern wurden. Unsere beiden Sprecher lesen sie vor:
Sprecher B und C im Wechsel die Statements
Meine beiden Lieblingssprüche sind zum einen;
Psalm 23: Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.
Ich habe oft das Gefühl, dass es wirklich so ist. Ich empfinde das als eine große Gnade. Und wenn es mir mal nicht so gut geht, dann weiß ich, dass sein Stecken und Stab mich trösten.
Es sind diese wunderbar formulierten Bilder, die ich im Kopf habe, auch wenn ich nicht mehr den hundertprozentigen Wortlaut weiß.
Ein schönes, hoffnungsvolles Bild finde ich auch im Psalm 31,9: Du stellst meine Füße auf weiten Raum.
Da braucht man doch nichts mehr mühevoll erklären. Da spürst du Freiheit und Mut und Leichtigkeit und Hoffnung.
Natürlich gibt es auch viele verschwurbelte Stellen, die kaum zu begreifen sind. Es lohnt sich aber auch diese Stellen immer wieder durch und durch zu kauen, bis man auf den Kern stößt.
Die Bibel ist ein Schatz und besonders Luthers Sprache.
Mein Beitrag ist ein Elfchen
BIBEL
IST BESTÄNDIG
TRÄGT DURCHS LEBEN
UMFASST DEN GANZEN ERDKREIS
HERZENSBUCH
Die weiteren Statements im Wechsel (B und C) vorlesen
2.Korinther 3,17
17 Der Herr ist der Geist; wo aber der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit.
Immer, wenn ich an diesen Vers denke, bekomme ich Lust, etwas Neues zu wagen. Es ist, wie wenn Jesus mich anschaut und zu mir sagt: „Wegen mir darfst du sein, wer du bist, aber du musst es nicht bleiben.“
Philipper 3,13
Ich vergesse, was hinter mir liegt, und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist.
Meinen Taufspruch habe ich in der Vorbereitungszeit zur Konvertierung beim Bibelstudium entdeckt. Es hat mir sowohl in dieser Zeit als auch sehr oft im weiteren Leben in verschiedenen Situationen geholfen weiter zu kommen und nicht am Vergangenen hängenzubleiben.
Matthäus 28,20
Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende.
Jedes Mal, wenn ich diesen Vers in Erinnerung rufe, spüre ich, dass ich nicht allein bin und jemand oder etwas mich trägt. Ich glaube, dass dieses Versprechen der wichtigste Antrieb für mich ist.
2. Timotheus 1,7
Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit.
Das ist unser Trauspruch. Er gefällt mir, weil er zeigt, dass der Glaube mich stark machen soll.
Sprecher A (FH)
Wir hören jetzt Musik als Einladung, selbst über solche Bibelworte nachzudenken, die im eigenen Leben Gewicht bekommen haben, so wie es auch der Liederdichter Johann Olearius 1671 gesungen hat:
Dein Wort bewegt des Herzens Grund,
dein Wort macht Leib und Seel gesund,
dein Wort ist’s, das mein Herz erfreut,
dein Wort gibt Trost und Seligkeit.
Amen