Gottesdienst mit Abendmahl
mit Pfarrer Johannes Habdank
um 10:00 Uhr in St. Johannes, Berg
Der Gottesdienst fand statt im Rahmen der Predigtreihe "Das Meer. Von den Tiefen und Untiefen des Lebens". Thema der Predigt von Pfarrer Habdank: "Jona wird ins Meer geworfen".
Nachstehend (ggf. "Weiterlesen" anklicken) die Predigt zum Nachlesen.
„Jona wird ins Meer geworfen“
Predigt von Pfarrer Johannes Habdank, dazu Holzschnitt von Walter Habdank, in der Sommerpredigtreihe 2022:
„Das Meer. Von den Tiefen und Untiefen des Lebens“
(gehalten am 14.8. in Starberg, Friedenskirche, und 21.8. in Berg, St. Johannes)
Liebe Gemeinde,
das Jonabuch ist eine weisheitliche Novelle aus dem 3. Jhd. v. Chr., eine Lehrerzählung mit offenem Schluss, der Frage Gottes an Noah: „Dir ist es leid um den Rizinusstrauch, für den du nicht gearbeitet und den du nicht großgezogen hast. Über Nacht war er da, über Nacht ist er eingegangen. Mir aber sollte es nicht leid sein um Ninive, die große Stadt, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die nicht einmal rechts und links unterscheiden können, außerdem so viel Vieh?“ Diese Frage Gottes bleibt offen. Von irgendeiner Reaktion, geschweige denn abschließenden Antwort Jonas ist wird nichts erzählt. Warum nicht? Die Antwort soll sich der Hörer oder Leser der Geschichte selber überlegen. Wie? Indem er sich mit der Figur des Jona identifiziert, um die Frage für sich selbst zu bedenken.
Dass sich die Hörer und Leser in die Figur des Jona hineinversetzen können, und zwar nicht nur die Großen, sondern auch schon die Kleineren, dazu hat die Evangelische Kirche in Deutschland eine kindgemäße Version des Jonabuches herausgegeben, in kindgerechter Sprache, mit comicartigen Bildern: Jona auf dem Titelbild, mit Bademantel und Rettungsring um den Bauch, also wie ein Badegast - Titel: „Jona. Ein Prophet geht baden“. Das gibt es auch jetzt als Badebuch für Kleinstkinder, wasserdicht.
Man kann das originell, man es kann es aber auch läppisch finden! Immerhin trifft die locker-flapsige Redewendung, dass jemand baden geht, auf Jona in einem übertragenen Sinne mehrfach zu! Gott lässt ihn gleich zweimal „baden gehen“: er handelt mit den Menschen und Tieren von Ninive und mit der Rizinusstaude genau anders, als es Jona erwartet und haben will. Ja, Gott erweist sich am Ende als Macht der Vergebung, und nicht als Gott der strafenden, ausgleichenden Gerechtigkeit. Und zuvor in der Geschichte geht Jona tatsächlich baden, als er ins Meer geworfen wird, da seine Schuld am Sturm zutage getreten ist. Während des Sturms hat er selbst noch „Ruhe vor dem Sturm“, seinem persönlichen Sturm, der dann kommt.
Wir sehen es auf dem Bild, einem Holzschnitt von Walter Habdank „Jona, ins Meer geworfen“. Zuerst wird das Los geworfen, um zu erfahren, wer an diesem lebensgefährlichen, existenzbedrohenden Unheil schuld ist. Ein urmenschliches Motiv: Unheil? Daran muss einer schuld sein. Und wenn´s ein Sturm ist. Heute ist es die von uns Menschen hausgemachte Klimakatastrophe, an der wir alle irgendwie schuld sind oder sein sollen - da wird auch dauernd das Los geworfen … . Hauptsache, es trifft den anderen, damit keiner wirklich selber schuld ist oder etwas oder gar sich selbst ändern muss.
Sturm? Damit ist mehr gemeint als bloße Meteorologie, es geht um seine Bedeutung für die Menschen, um Sinn-Deutung des unheilvollen Geschehens. Und die Grundaussage ist: Unheil ist elementar durch Menschen verursacht. Auch wenn Gott selbst in dieser Geschichte den Sturm schickt: er hat ihn nur geschickt, weil Jona seinem Auftrag zuwidergehandelt hat. Jona hatte Gottes Wort gehört, er wusste, was zu tun ist, hat aber das Gegenteil getan. Wie heißt es bei dem Propheten Micha (6,8): Es ist dir gesagt, Mensch, was gut ist, und was der Herr von dir fordert, nämlich Gottes Wort halten und Liebe üben und demütig sein vor deinem Gott. Ja, das gilt nicht nur damals für alle Menschen, es gilt auch für uns heute. Menschen, die gegen den Gotteswillen leben und handeln, was auch immer er nun im Einzelnen sei, machen sich schuldig, mit verheerenden Folgen. Nicht weniger und nichts Harmloseres ist hier gesagt.
Das Los: es fällt auf Jona. Das Los ist mehr als nur ein erster Anfangsverdacht oder eine Vorverurteilung. Es ist die Vorhersage und Ansage des Urteils. Aber richten tut keiner in dieser Geschichte. Das Urteil spricht der Angeklagte selbst: Jona erklärt sich für schuldig, vor Gott auf der Flucht zu sein. Ja, vor Gott auszuweichen, seinem Willen zuwiderzuhandeln und davonzulaufen, das ist auch urmenschlich, ja, der Mensch kann gar nicht anders, wie der Apostel Paulus einmal verschärft sagt: Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht. (Luther-Übersetzung)
Und jetzt kommt das schon fast Übermenschliche, weswegen dieser Jona gerne als Präfiguration, als Vorprägung der Christusgestalt gedeutet wird: Er steht für die Schuld ein und opfert sein Leben, damit die anderen weiter-leben können. „Nehmt mich und werft mich ins Meer“.
Diese Christus-Interpretationsidee für die Szene „Jona, ins Meer geworfen“ ist auch die entscheidende Bild-Idee für diesen Holzschnitt. Sehen wir uns das Bild näher an: Mast und Leiter deuten mit ihrer Formgebung auf das Kreuz Christi, die Leiter ist keine Himmelsleiter, auch keine Rettungsleiter „Steig herab vom Kreuz“, wohl eher wird sie dienen, um den Gekreuzigten abzunehmen; die Wellen, urchaosartig, schlagen hoch, verschlingen ihn gleich; es könnten auch viele fingerartige Gebilde sein, die ihn auffangen; oder schlangenartige Ungeheuer; oder Flammen der Hölle, in die dieser exemplarische Mensch hinuntergestürzt wird, fällt. Das bleibt dem Betrachter überlassen, wie er es sieht und für sich so persönlich das Bild ergänzt! Jona: Mit Kopfrichtung nach unten, Blick - zurück? Nein, ins Ungewisse, angstvoll, aus dem Bild hinaus. Und oberhalb seines Kopfes, in sicherer, gesicherter Distanz, am Mast-Kreuzesstamm, kaum sieht man ihn: einer, der ihn hinunter gestoßen, ausgestoßen hat, und dadurch selber noch einmal davon gekommen ist. Auch eine archetypische Szene, ein brutaler Glatzkopf, der nach unten schielt. So können die Menschen sein, damals wie heute, in ihrem Wesen.
„Nehmt mich und werft mich ins Meer“, man könnte versucht sein, diese biblisch-menschliche Urszene auch auf die Flüchtlingsdramen im Mittelmeer anzuwenden. Wir wissen nicht, wie sich das gefährliche Leben der Flüchtlinge auf einem Boot, das unterzugehen droht, tatsächlich abspielt: ob sich da auch einzelne opfern, damit die andern überleben? Dafür überleben aber zu wenige, und zu viele sind ertrunken. Insofern denke ich, bevor wir in frommen Zynismus geraten, lassen wir einen solchen Interpretationsansatz lieber bleiben und schützen die Flüchtlinge vor Bibelphantasien und verschonen die Jona-Szene umgekehrt vor problematischer, aktueller Politisierung. Die wechselseitige Adaption von Bibel und Gegenwart bringt jedenfalls nicht immer etwas, zumindest in diesem Fall nichts Gutes. Kommen die Flüchtlinge aus Afrika übers Meer eigentlich in unserer mediengesteuerten Weltwahrnehmung noch vor. Seit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg hört man nur noch wenig von ihnen. Nicht nur diesen Flüchtlingen aber kann man nur wünschen, dass sie alle Gefahren durchstehen und wohl behalten aufgenommen werden, nicht vernichtet, sondern überlebend: dafür wäre aber dann der Jona im Fischleib als Auffangstation und wahres Rettungsboot durchaus ein geeignetes Symbol. Doch das ist ein anderes Bild und ein anderer Teil der Jona-Geschichte.
Amen.