26.02.2023 - Invokavit

Gottesdienst mit Abendmahl


mit Pfarrer Johannes Habdank


um 10 Uhr im Katharina von Bora-Haus
 

Nachstehend die Predigt des Gottesdienstes zum Nachlesen.

 


Predigt von Pfarrer Johannes Habdank am Sonntag Invokavit 2023 über Versuchung (Evangelium Matthäus 4, 1-11)

 

Da wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt, damit er von dem Teufel versucht würde. Und da er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn. Und der Versucher trat herzu und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so sprich, dass diese Steine Brot werden. Er aber antwortete und sprach: Es steht geschrieben (5. Mose 8,3): »Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeden Wort, das aus dem Mund Gottes geht.« Da führte ihn der Teufel mit sich in die heilige Stadt und stellte ihn auf die Zinne des Tempels und sprach zu ihm: Bist du Gottes Sohn, so wirf dich hinab; denn es steht geschrieben (Ps 91,11-12): »Er wird seinen Engeln für dich Befehl geben; und sie werden dich auf den Händen tragen, damit du deinen Fuß nicht an einen Stein stößt.« Da sprach Jesus zu ihm: Wiederum steht auch geschrieben (5. Mose 6,16): »Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.« Wiederum führte ihn der Teufel mit sich auf einen sehr hohen Berg und zeigte ihm alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeit und sprach zu ihm: Das alles will ich dir geben, wenn du niederfällst und mich anbetest. Da sprach Jesus zu ihm: Weg mit dir, Satan! Denn es steht geschrieben (5. Mose 6,13): »Du sollst anbeten den Herrn, deinen Gott, und ihm allein dienen.« Da verließ ihn der Teufel. Und siehe, da traten Engel herzu und dienten ihm.

Liebe Gemeinde,

es gibt zwei große biblische Versuchungsgeschichten, die unsere Kultur-, Mentalitäts-, Moral- und auch Kunstgeschichte geprägt haben:

die eine ist die von Adam und Eva in der biblischen Urgeschichte, die natürlich kein historischer Bericht ist, sondern ein urgeschichtlicher Mythos, eine Symbolgeschichte, die Wesentliches aussagen will über den Menschen, alle Menschen, damals wie heute: so sind wir! Wir lassen uns versuchen und versuchen andere. Wir sind nie selber schuld, sondern immer nur die anderen. Schuld ist natürlich am Ende die Schlange, und noch nicht einmal ein Mensch! Nein! Wir doch nicht ... .

Und die andere, nicht ganz so bekannte Geschichte ist die von der dreifachen Versuchung Jesu in der Wüste durch den Teufel, also das Widergöttliche in Person, die wir als Evangeliumslesung gehört haben.

Wozu als weitere Versuchung Jesu noch die Szene im Garten Gethsemane zu nehmen wäre: dort ringt Jesus in seiner Not mit seinem gottgegebenen Schicksal. Diese Szene steht für mich exemplarisch für alle Szenen in seinem Leben, in denen er sich auch ganz anders, für einen leichteren Weg hätte entscheiden können, wo er auch nicht gar so unbequem hätte auffallen oder anecken müssen, etwa bei der sogenannten Tempelreinigung: wo es vielleicht klüger gewesen wäre, sich etwas angepasster zu verhalten, zum eigenen persönlichen Wohl, im Interesse seiner eigenen Macht und seines eigenen Überlebens.

Im Garten Gethsemane hätte er ja doch auch vielleicht noch seinem drohend bevorstehenden Schicksal entgehen und fliehen können. In dem Jesus-Spielfilm mit Jeremy Sisto in der Hauptrolle, der in der ersten Konfirmandenfreizeit gezeigt wurde, wird die Gethsemane-Szene tatsächlich als Begegnung mit dem Teufel dargestellt, der ihm klarmachen will, dass sein Weg ans Kreuz der Welt nichts helfen werde, im Gegenteil: er sagt voraus, dass in Jesu Christi Namen Kriege geführt würden, Ketzer verbrannt und viel Böses in der Welt angerichtet würde. Das steht natürlich nicht so in der Bibel, es ist aber ein genialer moderner Einfall aus der modernen Retrospektive.

Liebe Gemeinde, beim Thema Versuchung geht es biblisch nicht um aktuelle Launen oder Verführbarkeiten, sondern um Grundlegendes auf der Ebene der prinzipiellen seelisch-menschlichen Motivlage: wie wir strukturell gestrickt sind, und zwar alle, und um die geistige Lebenseinstellung und den Umgang damit, und letztlich darum, was der christliche Glaube im Schauen auf Jesus zum Thema Versuchungen und Versuchung zu sagen hat.

Man kann nun die Versuchungsgeschichte Jesu – wie schon die von Adam und Eva – als Symbolgeschichte verstehen, die auf elementare menschliche Wesenseigenschaften und Grundthemen abhebt, überzeitlich, zu allen Zeiten gültig, dann sind es drei Punkte, um die es geht:

Bei der ersten Versuchung Jesu (Steine in Brot verwandeln) geht es um die Verführung, dass er seine gottgegebene Vollmacht dazu verwenden soll, dass er nicht nur sich selbst vom Hungertod rettet, das wäre zu vordergründig, sondern sie als irdische Macht gegenüber der Welt demonstriert und damit das Vertrauensverhältnis Gottes als seines Vaters und Schöpfers untergräbt, missbraucht. Dagegen wehrt sich Jesus, wie seine Antwort auf die Wunder-Forderung zeigt, Steine in Brot zu verwandeln: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von einem jeglichen Wort, das aus dem Mund Gottes geht.“

Bei der zweiten Versuchung geht es im Kern darum, dass Jesus die Möglichkeit der Weltherrschaft, absoluter Macht und umfassenden Weltbesitzes für sich angeboten bekommt. Er lehnt ab mit der Begründung, dass er Gott nicht herausfordern dürfe und wolle. Also keine Verführung zu absoluter Macht. Da hätten sich einige totalitäre Herr-scher in Geschichte und Gegenwart mal eine Scheibe davon abschneiden können! Christentum und politischer Totalitarismus sind Gegensätze. Ist leider wieder aktuell.

Exkurs: Das auch heute noch Delikate an dieser 2. Versuchungsepisode ist: Sowohl der Teufel zitiert eine Bibelstelle, und zwar eine, die wahrscheinlich jeder von uns schon einmal gehört hat, manche haben sie sogar als Tauf- oder als Konfirmationsspruch aus Psalm 91: „Der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf allen deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.“ Das wird hier als Argument vom Teufel zitiert, um Jesus zu versuchen! „Komm, Jesus, spring von der Tempelzinne und dir gehört die ganze Welt und alle Macht!“ - Tödliche Versuchung! Dieser Versuchung zu absoluter Weltmacht widersteht Jesus auch mit einem Bibelwort, einem Gebot aus dem 5. Buch Mose: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht versuchen.“ Was ich daran delikat finde? Dass es – und das sei allen Biblizisten, Evangelikalen und christlichen Fundamentalisten ins Stammbuch geschrieben: dass es nicht reicht, sich einfach auf die Bibel zu berufen, auch heute nicht. Denn auch der Teufel beruft sich auf die Bibel, wie die Versuchungsgeschichte Jesu zeigt. Und die steht bekanntlich in der Bibel … !

Und der Teufel hat ja auch immer wieder in der Christentumsgeschichte mit der Kirche sein Spiel getrieben bis heute, sich auf die Bibel und Jesus Christus berufen, war sogar ihr Oberhaupt, wie die reformatorische Rede vom Papst als Antichrist behauptet hat, und entsprechend mit der Kirche teuflisch zugange. Wie oft ging es tödlich aus für viele Menschen: Andersgläubige, Andersdenkende, sog. Heiden, Hexen und Ketzer!

Und genau davon spricht die dritte Versuchung Jesu: dass Gott als oberstes Prinzip durch den Teufel, den Gegengott ersetzt werden soll und dieses negative Prinzip in Person des Teufels als Gott anzubeten sei. Jesus blieb seinem Gott treu. Weswegen er bald als der einzig wahre Mensch angesehen werden wird, der ohne Sünde war und blieb, im Unterschied zur Kirche, deren Orientierungsmaßstab er bleiben sollte.

Liebe Gemeinde, der Teufel, was ist das eigentlich heute und biblisch genauer?

Die Märchen- oder Kasperltheaterfigur kann´s ja nicht sein, oder? Das sind liebe Pappkameraden. Was ist der Teufel? Gut, er steckt gerne im Detail, wie wir sagen. Wenn etwas mühsam ist, nicht recht gelingen will – hinter dieser meist nicht so ganz ernst gemeinten Alltagsrede steht allerdings durchaus biblisches Teufelsverständnis, unbewusst meistens: der diabolos = der Durcheinanderbringer, hebr. Satan = der Hinderer, der Gegner, der im Weg steht, der behindert und gelingendes Leben verunmöglichen, zerstören will, und auch: der Ankläger, der Miesmacher. So wie die Figur des Mephistopheles aus Goethes Faust, der sagt: „Ich bin der Geist, der stets verneint! Und das mit Recht; denn alles was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht; drum besser wär´s, wenn nichts entstünde. So ist denn alles, was ihr Sünde, Zerstörung, kurz das Böse nennt, mein eigentliches Element.“ Das passt sehr gut zum biblischen Verständnis vom Teufel. Wobei er da vor allem die Verkörperung von irdischer Macht- und Besitzversessenheit, des Versprechens maximaler Herrschaftsoptionen ist, er steht für radikalen Egoismus, Selbstvergötterung und Selbstverabsolutierung und für Verhinderung von gelingendem Leben! Nicht nur damals und in der Geschichte, sondern auch noch heute in der Welt.

Auch bei uns? Im natürlich sehr verkleinerten Maßstab, wenn du solcherlei Ego-Gelüste bis in die kleinsten Beziehungen hinein verspürst, mal mehr, mal weniger im Leben. Der Teufel steckt eben manchmal auch im ganz persönlichen Beziehungs-Detail. Das aber kann nur jeder für sich selbst überlegen und einschätzen, ob, wann und wo es bei ihm so ist, wo wir etwa selber Hinderer sind und Lebensmöglichkeiten-Störer, -Zerstörer. In diesem Sinne sind die alten, urmenschlichen Versuchungsthemen auch heute noch präsent, stehen nach wie vor in Geltung!

Ich komme zum Schluss, liebe Gemeinde:

Oscar Wilde hat einmal gesagt: „Der einzige Weg, eine Versuchung loszuwerden, ist, ihr nachzugeben.“ Und: „Ich kann allem widerstehen, nur der Versuchung nicht.“ Wenn Jesus so gedacht hätte, dann wüssten wir von ihm wahrscheinlich heute gar nichts, dann hätte es das Christentum nie gegeben. Und wenn sich Jesus an der Weisheit eines heutigen Aphoristikers orientiert hätte: „Führe mich nicht – es sei denn – in Versuchung“, dann wäre es auch so. Wobei dieses Zitat eine Anspielung auf die 6. Bitte des Vaterunsers ist - wir sprechen sie in jedem Gottesdienst: „Und führe uns nicht in Versuchung“.

„Und führe uns nicht in Versuchung“ - Diese Worte enthalten freilich eine harte Zumutung von der dahinter stehenden Vorstellung her: nämlich, dass Gott selbst der potenzielle Versucher ist, der seine Geschöpfe, seine Menschen auf die Probe stellt und prüft mit dem, was sie als problematisch oder negativ im Leben, als „Versuchung“ er-leben – und hoffentlich standhalten, mit Blick auf Jesus. Weswegen, weil ihm das fremd erscheint (Gott selbst als Versucher), Papst Franziskus vor einigen Jahren vor-geschlagen hat, die 6. Bitte des Vaterunsers neu zu übersetzen, nämlich nicht: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern „Und lass uns nicht in Versuchung geraten“, bzw. „Und überlasse uns nicht der Versuchung“. Klingt freundlicher und auch theologisch ganz plausibel und bequemer, aber: das steht so leider nicht in der Bibel.

Wie dem auch sei, wir haben es jedenfalls immer wieder nötig, Gott zu bitten, dass wir von Versuchungen aller Art verschont bleiben mögen, woher sie auch angestiftet seien und an uns herankommen: „erlöse uns von dem Bösen“ – das Böse ist bekanntlich immer und überall, es lauert zumindest überall.

Vaterunser, erlöse uns von dem Bösen, denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.

Amen.