14.10.2022 - Seelsorge-Kolumne in der tz

 
Der tägliche tz-Ratgeber
heute: Glaubensfragen


Warum wir anderen helfen müssen

 

Leben ist lebensgefährlich! In einer immer unübersichtlicher werdenden Welt scheint sich die Macht des Stärkeren immer noch mehr durchzusetzen.

Pfarrer Johannes Habdank meint, dass wir Schwache aller Art in aller Welt mehr und wirkungsvoller unterstützen sollten, um ihnen beim täglichen Überlebenskampf zu helfen.

 

 

 

Der berühmte deutsche Schriftsteller Erich Kästner (1899–1974) hat einmal geschrieben: „Wird’s besser? Wird’s schlimmer, fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.“

Das liest und hört sich gut an. Etwa zu jedem Jahreswechsel, wenn man sich genehmigt, zurückzublicken, was gewesen war, und sorgenvoll oder zuversichtlich nach vorne schaut auf das, was das neue Jahr und „die Zukunft“ bringen werden. Da haben Kästners Worte vielleicht sogar einen heiterrelativierenden, ermunternden Sinn, klingen gewitzt bis witzig.

„Wird’s besser? Wird’s schlimmer, fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich.“

Dieselben Worte klingen weniger witzig in den Alltags-Ohren von Menschen, deren Leben aktuell wirklich lebensgefährlich ist, jetzt oder schon seit Langem.

Ich denke zum Beispiel an einen Freund, der seit Jahrzehnten in Palästina lebt und dessen familiäre Situation täglich und immer wieder unter der Unsicherheit leidet, wie es unter der israelischen Vorherrschaft weitergehen wird. Ich denke auch an eine Freundin in Israel, die permanent unter der Gefahr radikal-palästinensischer Terrorangriffe lebt.

Ich denke aktuell an die Bevölkerung in der Ukraine und an die, die zu uns vorübergehend ausgewandert sind. Können sie oder wann können sie einmal zurückkehren? Wie wird es dann da sein? Wie geht es ihren dort Gebliebenen gerade, die in den Krieg ziehen müssen?

Ich denke aber auch an die vielen Menschen in vielen anderen Ländern der Welt, von denen wir derzeit, überlagert durch Pandemie- und Ukraine-Themen, so gut wie nichts erfahren, etwa in Afrika. Laut mehreren Friedensforschungsinstituten gibt es derzeit rund 40 Kriege und blutige Auseinandersetzungen in aller Welt, von denen wir momentan fast nichts erfahren. Wie geht es den Menschen dort eigentlich? Und denen zu sagen: „Leben ist immer lebensgefährlich“ wäre blanker Zynismus.

Die aktuell zugespitzten Probleme in dieser Welt sind seit Jahrzehnten bekannt, in Wissenschaft und Politik. Es wird Zeit, dass endlich einmal zielführend genug getan wird! Dort und hier. Geld ist für und in Deutschland immer genug vorhanden, bitte endlich auch einmal wirkungsvoll für die anderen! Sie sind unsere Nächsten, in nah und fern!


DER TÄGLICHE tz-RATGEBER heute: Glaubensfragen  (Münchner Merkur/tz 14.10.2022)