Musikalischer Gottesdienst
mit Konfirmandeneinführung
mit Pfarrer Johannes Habdank
und Johannes Ruge, München, am E-Piano
in der Wallfahrtskirche Mariä Himmelfahrt, Aufkirchen
Nachstehend die Predigt zum Nachlesen. Fotos in der Bildergalerie.
Predigt von Pfarrer Johannes Habdank am 19. Sonntag nach Trinitatis (Erntedank)
Predigttext: Lukas 12, 13-21 (Evangelium zu Erntedank)
Es sprach aber einer aus dem Volk zu ihm: Meister, sage meinem Bruder, dass er mit mir das Erbe teile. Er aber sprach zu ihm: Mensch, wer hat mich zum Richter oder Erbschlichter über euch gesetzt? Und er sprach zu ihnen: Seht zu und hütet euch vor aller Habgier; denn niemand lebt davon, dass er viele Güter hat.
Predigt:
Liebe Gemeinde,
die besten Familienverhältnisse können in die Krise geraten, ja auseinanderbrechen, wenn ein Erbfall eintritt. Da werden aus friedliebenden Geschwistern auf einmal Tiere, die übereinander herfallen, und es bewahrheitet sich der alte Spruch eines römischen Komödiendichters, der durch Thomas Hobbes (engl. Staatsphilosoph 17. Jh.) bekannt geworden ist: Homo homini lupus: Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf. (Hobbes hat damit jedoch nur den Menschen im vor-staatlichen Zustand gemeint.)
Wenn der Erbfall eintritt, und zwar einer, bei dem man das Erbe nicht ausschlagen will, sondern für sich haben, dann gibt es dafür das Erbrecht und oft auch ein Testament, die die Sache eigentlich regeln lassen müssten, ist aber oft nicht so einfach, eine ganze Juristenbranche lebt davon.
Wie war es damals im Orient und im alten Israel? Und damit zu dem beschriebenen Ausgangsfall unseres heutigen Gleichnisses: Das jüdische Erbrecht zur Zeit Jesu ruhte auf biblischer Grundlage, im 4. und 5. Buch Mose sind die einschlägigen Passagen zu finden. Der Fall ist aus bäuerlichen Verhältnissen heraus zu verstehen, wo der ältere Bruder Grund und Boden und zwei Drittel des beweglichen Vermögens erhielt und der jüngere den Rest. In diesem Fall scheint der ältere Bruder alles zu beanspruchen, der Jüngere will aber nicht leer ausgehen, deshalb wendet er sich an Jesus. Und er redet Jesus an mit „Meister“, wörtlich „Lehrer“ an und bittet ihn, den Fall zu entscheiden. Das war im alten Orient und in Israel damals Gang und Gäbe, dass man sich an religiöse Instanzen wenden konnte, hier an Jesus als selbst ja auch Schriftgelehrten, die für damalige Verhältnisse Theologen und Juristen in einem waren. Jesus schien dem Mann aus dem Volk der geeignete Richter zu sein! Zudem will er die Autorität Jesu für seine persönlichen Interessen ausnützen und meint, dass sich der Bruder dem Schiedsspruch Jesu fügen werde. Das passt Jesus nun aber gar nicht. Er protestiert gegen diese seine Behelligung mit einer Sache, die nicht vor sein Forum gehört und blockt ab - und das ist etwas Besonderes, ja fast schon modern Anmutendes: Die religiöse Autorität mischt sich nicht in weltliche, hier rechtliche Angelegenheiten ein, geschweige denn, dass sie sich anmaßt, darüber zu Gericht zu sitzen. Daran hat sich die Kirche schon im Urchristentum nicht mehr gehalten, und tut es auch heute mitnichten, im Gegenteil: sie hat sich die Rolle des Schiedsrichters und heute obersten Moral-Wächters der Nation, nein: der Welt zugewiesen. Jesus verweigert diese Rollenzuweisung für sich und lenkt das Augenmerk auf die Motivebene des Handelns der beiden Brüder und verallgemeinert das Problem. Er macht eine Grundaussage zum Thema Habgier und Besitz. Und weil das Volk theoretische Rede nicht so leicht versteht, erzählt er dazu ein Gleichnis.
Und er sagte ihnen ein Gleichnis und sprach: Es war ein reicher Mann, dessen Feld hatte gut getragen. Und er dachte bei sich selbst und sprach: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln all mein Korn und meine Vorräte und will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! Aber Gott sprach zu ihm: Du Narr! Diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und wem wird dann gehören, was du angehäuft hast? So geht es dem, der sich Schätze sammelt und ist nicht reich bei Gott.
Liebe Gemeinde, allein schon, wie oft hier in wenigen Sätzen das „ich“ oder „mein“ vorkommt, daran sieht man, was für ein rein auf sich selbst fixierter Mensch hier beschrieben wird: Was soll ich tun? Ich habe nichts, wohin ich meine Früchte sammle. Und sprach: Das will ich tun: Ich will meine Scheunen abbrechen und größere bauen und will darin sammeln … und ich will sagen zu meiner Seele: Liebe Seele, du hast einen großen Vorrat für viele Jahre; habe nun Ruhe, iss, trink und habe guten Mut! - Ich, ich, mein, mein! Mein Haus, mein Pferd, mein Auto, meine Yacht usw. Das kennen wir irgendwie alles auch, natürlich nur aus der Werbung, nein! Der Mensch sorgt sich um seinen Besitz, klammert sich daran, es geht ihm darum, dass es ihm selbst immer sicher gut geht.
Was klammerst Du, Mensch, dich so an den Besitz, wo du noch nicht einmal dein Leben, deine Seele im Griff hast, geschweige denn, dass sie dir gehören!? Sie sind nicht in deinem Besitz, und wenn du noch so sehr sagst: Meine liebe Seele! Erst recht nicht der erworbene Besitz. Beides kann sehr schnell weg sein: Leben und Besitz, so dass du noch nicht einmal mehr eine Restzeit hast, um planen zu können, was aus dem Besitz weiterhin wird!
Liebe Gemeinde, was dem reichen Kornbauern völlig abgeht, ist Dankbarkeit, so wie den 9 von 10 Geheilten vorhin in der Lesung. Er kommt gar nicht auf die Idee, dass die reiche Ernte bei aller seiner Mühe und Arbeit letztlich nicht sein eigenes Verdienst ist, sondern etwa den guten Witterungsbedingungen zu verdanken ist, oder dem Umstand, dass er gesund geblieben ist während der Ernte, oder dass keine Heuschreckenplage alles weggefressen hat - alles kontingente Faktoren, Dinge, die er selber nicht im Griff hat. Dafür könnte er ja auch einmal ein Dankgebet zum Himmel schicken, oder? Aber er sieht ja nur auf die Erde, auf sich selbst aus Habgier und Besitzmaximierung.
Liebe Gemeinde, das ist die klassische christliche Besitzkritik, und aller Wahrscheinlichkeit ist dieses Gleichnis auch wirklich „O-Ton Jesus“.
Wobei hier eigentlich nicht der Besitz als solcher, sondern das menschliche, also unser Verhältnis zu ihm kritisiert wird: Wie wir damit umgehen, in welchem Geist, das ist entscheidend! Wir sollen uns nicht um den Besitz kümmern um des Besitzes und seiner Vermehrung und unserer eigenen Lebenssicherheit willen. Die Lebenssicherheit kann kein Besitz der Welt wirklich bieten! Sondern ihn so haben, als hätten wir ihn nicht, wie der Apostel Paulus einmal schreibt, also eher wie etwas Geliehenes. Und schon gar nicht das Geld zum Gott machen, das Materielle verabsolutieren!
Wer Besitz hat, soll ihn im Sinne Gottes behandeln, das ist ein guter Sinn davon, dass es heißt „reich bei Gott zu sein“, also nach Gottes Willen damit umgehen, auch an andere, Schwächere denken und etwas abgeben - was für uns heute ja schon in gehörigem, manche sagen: ungehörigem Umfang der Steuerstaat durch Umverteilungsmaßnahmen besorgt.
Das Kirchensteuersystem ist übrigens auch ein solches Umverteilungsinstrument zugunsten derer, die keine oder nur wenig Kirchensteuer zahlen können, und das ist m. W. mehr als die Hälfte der Kirchenmitglieder. Deswegen ist es umso wichtiger, dass die, die mehr zahlen können bzw. müssen, dabei bleiben: denn es geht nicht nur um sie, sondern auch noch um andere, gerade auch in der Kirche, nämlich um die, die etwa Seelsorge oder tätige Unterstützung durch den Pfarrer etwa mehr benötigen, obwohl sie selber nichts beitragen können. Das nur nebenbei bemerkt. Danke an alle, die Kirchensteuer und Kirchgeld zahlen! Danke auch an alle, die durch Spenden zum Gemeinde-Leben beitragen! Herzlichen Dank! Und damit zu Erntedank, das wir heute hier begehen:
Wir feiern es im traditionellen Sinne, als tatsächliches Ernte-Dank-Fest. Die Dekoration und das klassische Erntedank-Lied vorhin sind in diesem Sinne zu verstehen. Und dafür „Danke“ zu sagen, heißt: sich bewusst zu machen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass das alles da ist, und in unseren Breitengraden ja im Überfluss, wenn auch nicht ganz für alle, aber doch für sehr viele.
Du kannst aber auch Erntedank auf Dein Leben beziehen: wofür bist du dankbar, was ist schön und gut in deinem Leben, ist aber nicht selbstverständlich so, ja, du kannst, wenn du genau hinsiehst, kaum etwas dafür, dass es so gut und schön ist. Dafür dankbar zu sein, ist eine Sache nicht nur an Erntedank, aber das machen wir uns im Kirchenjahr heute einmal besonders bewusst!
Vor allem ältere Semester, die es ja zunehmend mit dem Thema „Lebensbilanz ziehen“ zu tun haben, sind gut beraten, nicht so sehr die negativen Seiten und Erlebnisse zu bejammern, sondern dankbar zu sein für so vieles, was so gut und schön war. Und manch eine Beerdigungsfeier, die hier in dieser Kirche stattfindet, ist keine Trauerfeier, sondern gerät auf Wunsch des Verstorbenen oder der Angehörigen zu einem Erntedank für ein ertragreiches Leben, von dem viele nahestehende Menschen etwas Gutes haben, bleibend: Prägungen und positive Erinnerungen.
Erntedank soll uns auch bewusst machen, dass wir auch auf andere blicken sollen, denen es nicht so gut geht, die Hilfe brauchen. Und nicht nur brauchen, weil wir das meinen, um ihnen unsere Hilfe überzustülpen, Stichwort: Überbetreuung, sondern die sie auch wollen und annehmen. Natürlich dankbar. Aber nicht um des Dankes willen sollen wir helfen, sondern um der Menschen selbst willen. Da musst du einfach wach sein im Leben, mit offenen Augen und Ohren durchs Leben gehen und nicht wie der reiche Kornbauer nur auf dich und deine Situation fixiert sein.
Diese Erntedank-Einstellung soll bedeuten, dass du von dem, was dir selbst an Begabungen und Fähigkeiten gegeben ist, andere teilhaben lässt, indem du dich ehrenamtlich einbringst mit deinen Pfunden, dass sie für alle wuchern können! Auf dass alle etwas davon haben. Und - ob es dir peinlich ist oder nicht: die anderen werden es dir danken! Erntedank für deine Ernte, dass andere an ihr teilhaben dürfen.
In diesem mehrfachen Sinne ist, liebe Gemeinde, Erntedank das Gegenprogramm zu Erbstreitereien, wie wir eingangs von ihnen gehört haben, das Gegenprogramm zu jeglicher Habgier, Geiz und Neid, das Gegenprogramm zu „Homo homini lupus“, dass der Mensch dem Menschen ein Wolf sei.
So schließe ich mit dem Beter von Psalm 107:
Danket dem Herrn, denn er ist freundlich und seine Güte währet ewiglich. Amen.